Am helllichten Tag: Mann flext an Dresdner Mahnmal herum - Die Reaktion des Rathauses macht sprachlos

Dresden - Während vergangenen Mittwoch Tausende Bauern die Stadt mit ihren Traktoren stürmten, packte mitten auf dem Altmarkt ein Mann eine "Flex" aus und machte sich mit dem Seitenschleifer an der Gedenkstätte für die Opfer der Bombennacht und die Erinnerung an den Auslöser des Krieges zu schaffen. Am helllichten Tag raspelte er die entsprechende Sandstein-Inschrift weg - und offenbar niemand wusste Bescheid.

Feiner Sandstein-Staub lag noch am Boden - so sah das Mahnmal am heutigen Montag aus.
Feiner Sandstein-Staub lag noch am Boden - so sah das Mahnmal am heutigen Montag aus.  © Ove Landgraf

Das Kreischen der Flex und die mächtige Sandsteinstaubwolke über dem Altmarkt machte einen Dresdner Passanten aufmerksam. Als der Senior den Flexer ansprach, war die Antwort: Er mache das weg, weil die Inschrift einem in der Stadt nicht gefallen hätte.

Am Sonntag - vier Tage nach der Tat - machte die Nachricht vom befürchteten Frevel im Netz die Runde. Das große Rätselraten: Wer steckt dahinter? Am heutigen Montag erreichte die Aufregung im Tagesverlauf ihren (vorläufigen) Höhepunkt.

Insbesondere rechte Gruppierungen trommelten gegen das Rathaus, welches das Gedenken auslösche.

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Die wilden Gerüchte blieben lange unwidersprochen - das Rathaus schwieg einfach, beantwortete seit dem frühen Morgen keine Anfragen. Weder von Bürgern oder Presse noch von Stadträten.

Mit einer Flex wurde die Inschrift professionell und sauber entfernt. (Symbolfoto)
Mit einer Flex wurde die Inschrift professionell und sauber entfernt. (Symbolfoto)  © IMAGO/Zoonar

Fraktionsspitzen bezeichnen Vorfall als "unglaublich"

Nicht mal Rathaus-Chef Dirk Hilbert (52, FDP) konnte Montagnachmittag den Sachverhalt aufklären.
Nicht mal Rathaus-Chef Dirk Hilbert (52, FDP) konnte Montagnachmittag den Sachverhalt aufklären.  © Holm Helis

Noch nicht mal, als sich der Ältestenrat bei seiner Routinesitzung mit den ebenfalls rätselnden Fraktionsvertretern am Montagnachmittag (15 Uhr) im Rathaus traf, konnte OB Dirk Hilbert (52, FDP) für Aufklärung sorgen - man wisse es noch nicht.

Was das Rathaus dann aber rund eine Stunde später doch noch mitteilte, macht selbst Polit-Veteranen in Dresden, die schon viele Rathaus-Pannen erlebt haben, sprachlos.

"Die Umgestaltung der Erinnerungsstätte für die Opfer der Luftangriffe des 13. und 14. Februar 1945 geschieht planmäßig", schrieb die Stadt. Zu weiteren Details wolle man am morgigen Dienstag informieren.

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"Peinlich" und "Unglaublich" waren noch das Freundlichste, was mehrere Fraktionsspitzen am Montag dazu äußerten. Eine Stadträtin: "Das ist ein Witz!"

Wie die "Umgestaltung" eines so wichtigen und sensiblen Mahnmals, über dessen Aussehen und Präsentation seit vielen Jahren diskutiert wird, so still und heimlich erfolgen kann, wird das Rathaus hoffentlich am Dienstag aufklären.

Dieser Text wurde weggeflext

"Dies ist ein Ort der Mahnung. Des Erinnerns und Gedenkens. Hier wurden die Leichname Tausender Opfer der Luftangriffe des 13. und 14. Februar 1945 verbrannt. Damals kehrte der Schrecken des Krieges, von Deutschland aus in alle Welt getragen, auch in unsere Stadt zurück."

Hintergrund des Mahnmals: Die Toten der Bombennacht

So sah das steinerne Mahnmal mit der dreizeiligen Inschrift aus. Die Kränze und Blumen waren am 13. Februar 2021 abgelegt worden.
So sah das steinerne Mahnmal mit der dreizeiligen Inschrift aus. Die Kränze und Blumen waren am 13. Februar 2021 abgelegt worden.  © Thomas Türpe

Durch die Bombardierungen von Dresden vom 13. auf 14. Februar wurde die Innenstadt auf etwa fünf Quadratkilometern in Schutt und Asche gelegt. Über die Opferzahlen kursierten über Jahrzehnte bizarre Spekulationen.

Mal war von 100.000, mal von 200.000 Toten die Rede, sogar 500.000 Tote wurden kolportiert. Eine von OB Ingolf Roßberg (62, FDP) berufene Historikerkommission kam 2010 zum Ergebnis, dass es tatsächlich maximal 25.000 Todesopfer gab.

Auch diese Zahl hatte ausgereicht, um das Bestattungswesen 1945 restlos zu überfordern. Zur Vermeidung von Seuchen wurden deshalb auf dem Altmarkt 6865 Tote offen verbrannt.

An dieser Arbeit waren übrigens echte "Profis" maßgeblich beteiligt: Hilfstruppen der SS, die in Vernichtungslagern der Nazis unzählige Leichen von KZ-Opfern durch Massenverbrennungen beseitigt hatten.

Die schwarzen Brandmale auf dem Altmarkt-Pflaster waren noch nach Jahrzehnten zu erkennen. Reste davon sind heute Teil des dortigen Boden-Mahnmals.

Titelfoto: Montage: Ove Landgraf, IMAGO/Zoonar

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