Zum 475. Geburtstag der Staatskapelle: Festwoche mit Sonderkonzert und Buchveröffentlichung
Dresden - Die Sächsische Staatskapelle Dresden ist stolz auf ihre Geschichte, die unter anderem kennzeichnet, dass sie sehr lang ist. Jedes Jahr feiert das 1548 gegründete Orchester mit einem Sonderkonzert, dass sie ein weiteres Jahr älter geworden ist. Dieses Jahr fallen die Feiern größer aus, denn der Geburtstag ist ein herausgehobener: der 475.
Der heutige Tag befindet sich zwischen zwei Aufführungen des Sonderkonzerts zum Geburtstag, welches das Orchester unter Leitung ihres Chefdirigenten Christian Thielemann (64) spielt. Komponisten und die Werke auszusuchen sei angesichts der Fülle geeigneten Materials gar nicht so leicht gewesen, so Thielemann am Donnerstag bei der Präsentation eines neuen Buches über die Staatskapelle.
Doch ist die Auswahl im Ergebnis mehr als naheliegend: Kompositionen der Hausheiligen Weber ("Jubel-Ouvertüre"), Wagner ("Ouvertüre zu Tannhäuser") und Strauss ("Also sprach Zarathustra", Suite aus der Oper "Der Rosenkavalier"). Am Geburtstag sollte am Freitagabend in der Semperoper das erste Konzert, mit anschließendem Empfang, stattfinden, die zweite Aufführung folgt am Sonntag.
Das Sonderkonzert ist Höhepunkt der Festwoche, die von einer Ausstellung des Historischen Archivs des Orchesters ergänzt wird und von jenem Buch, herausgegeben von Christoph Dennerlein, dem derzeitigen Orchesterdirektor, und Michael Märker. Es untersucht die vergangenen einhundert Jahre der Orchestergeschichte unter musikwissenschaftlichem wie historischem Aspekt, wofür sich ein fünfköpfiges Autorenteam zusammengefunden hat: Tobias Niederschlag, Susanne Popp, Sören Frickenhaus und Wolfgang Mende sowie Friedemann Pestel.
Es sei dies ein Zeitraum starker gesellschaftlicher Brüche und technischer Entwicklungen, so Dennerlein. Das Buch zeichnet nach, welche Wege der politischen Anpassung die Staatskapelle in der Zeit des Nationalsozialismus und später der DDR nahm, wie es sich von den Diktaturen vereinnahmen ließ und ebenso, welche Freiheiten man gleichwohl zu nutzen verstand.
Die Staatskapelle Dresden in Zeiten der NSDAP und der DDR
Zu DDR-Zeiten verbanden sich Politik, Kunst und Geschäft auf vielerlei Art, wenn etwa Aufnahmen mit berühmten Dirigenten wie Carlos Kleiber in der Lukaskirche stattfanden oder die Staatskapelle im Westen auf Tour war, um dem Staat Devisen einzuspielen. Für manchen vielleicht überraschend: Gar nicht viele der Orchestermitglieder waren in der Partei (SED). Im Kontrast dazu: Während der Nazizeit waren ungefähr die Hälfte der Orchestermitglieder in der NSDAP.
Tobias Niederschlag, früher Orchesterdramaturg der Staatskapelle, schreibt in seinem Beitrag über die Aufnahmegeschichte der Staatskapelle. Einhundert Jahre ist es her, dass unter der Leitung des damaligen, später von den Nazis vertriebenen Chefdirigenten Fritz Busch die ersten Aufnahmen entstanden.
In größerem Stil über die Ära Busch schreibt die Musikwissenschaftlerin Susanne Popp in ihrem Beitrag "Goldglanz und Schattenwürfe", der dem Buch gleichsam den Titel gibt. Es ist die Geschichte einer musikalischen Liebesbeziehung, künstlerischer Erfolge, nationalsozialistischer Anfeindungen, charakterlicher Niedertracht und schließlich der Vertreibung.
Der Band ist ein Dokument geschichtlicher Aufarbeitung, er geht offener und kritischer mit der Geschichte des Orchesters um als frühere Veröffentlichungen. Man mag das für überfällig halten. Jedenfalls nutzt es der Überzeugungskraft der Darstellung. Die ist in vielen Facetten ungewöhnlich detailreich, ein Resultat ausgiebiger, sorgfältiger Recherche.
Dass dieses im Kamprad-Verlag erschienene Buch (39,80 Euro) alles in allem gleichwohl eins zum Ruhm des Orchesters ist, davon zeugen besonders die einleitenden Grußworte von Chefdirigent Christian Thielemann und dem Ehrendirigenten und früheren Chefdirigenten Herbert Blomstedt (96), der ihr, der Staatskapelle, den eigenen Worten nach ein "treuer Freund" ist.
Titelfoto: Eric Münch