Verblüffend gruselig! "Das kalte Herz" feiert Premiere am Theater Junge Generation

Dresden - Wilhelm Hauffs Kunstmärchen "Das kalte Herz" (1827) ist eine zeitlose Parabel über die Sehnsucht nach Reichtum und sozialem Aufstieg sowie den Fallstricken beim Versuch, das alles zu erlangen.

Peter Munk und seine Mutter sind Puppen, geführt vom ganzen Ensemble (v.l.): Susan Weiland, Ulrike Schuster, Sophia Jelena Bobić und Uwe Steinbach.  © Klaus Gigga

In einer Fassung von Kerstin Specht hat das Theater Junge Generation (tjg.) diesen stets aktuellen Stoff mit den Mitteln des Puppen- und Objekttheaters adaptiert und spart dabei nicht mit unheimlichen Bildern. Premiere war am Samstag auf der Kleinen Bühne.

Zahlreiche Theateraufführungen und viele erfolgreiche Verfilmungen haben den Stoff lebendig bleiben lassen. Die Handlung ist wohlbekannt: Der junge Köhler Peter Munk möchte der Armut seines Berufs entkommen, zu oft wurde er verspottet, vom reichen Schlurker oder dem Tanzboden-König, die mit Geld nur um sich werfen und die er dafür insgeheim bewundert.

So wünscht sich Peter vom Glasmann Geld und eine Glasfabrik, was er alsbald verspielt. Also lässt er sich mit dem bösen Holländer-Michel auf einen Tauschhandel ein: Herz gegen Stein, für unendlichen Reichtum. Doch der rücksichtslos gewordene Millionär wird damit nicht glücklich. Kann er alles wieder rückgängig machen?

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Die tjg.-Inszenierung (Regie: Christoph Levermann) verortet den Stoff zwischen poetischen Szenen und Club-Sounds ganz in unserer sozialen Gegenwart, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer drastischer auseinanderklafft, in der anstrengungsloser Ruhm überall lockt.

Es fällt nicht schwer, im Würfelspieler Schlurker einen Online-Zocker zu sehen, im Tanzboden-König womöglich einen nach Bestätigung heischenden Influencer.

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"Das kalte Herz" ist ein dunkel-romantisches Märchenstück geworden

So einen Holländer-Michel, wie Susan Weiland (l.) ihn spielt, hat man wohl noch nie gesehen.  © Klaus Gigga

Doch sind diese Metaphern mittels düster-fantastischer Ausstattung (Bühne, Kostüme und Puppen: Esther Falk) verblüffend gruselig umgesetzt.

Die finstere Schwarzwald-Kulisse erinnert etwa an Fantasy-Filme von Guillermo del Toro ("Pinocchio", 2022), der Wald besteht aus dicken Seilen, dazu ein glühender Kohlenmeiler und die Rohre der Glasfabrik, die sich dynamisch drehen und bespielen lassen.

Peter Munk und seine Mutter bestehen aus klassischen Puppen, sie werden von den Spielern des Ensembles mehrhändig geführt. Die wirken in ihrer Mischung aus Gothic-Outfits und Zirkus-Kostümen mit weißgeschminkten Gesichtern wie schauerliche Artisten.

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Besonders gräulig der Glasmann, ein riesiges Wesen aus zotteligem Teppich mit Bart und Hut. Den Holländer-Michel gibt Susan Weiland als verschlagene Zauberin mit Rokoko-Perücke, an deren weißem Tutu die Herzen (in diesem Falle Masken) ihrer Opfer hängen - so hat man diese Figur gewiss noch nicht gesehen.

Herzlicher Beifall für dieses gelungene, dunkel-romantische Märchenstück (ab zehn Jahren).

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