Sein wichtigstes Reiseziel war Dresden: Ausstellung über Hans Christian Andersen zum 150. Todestag
Dresden - "Mehr als Märchen", unter dieser Überschrift steht die Ausstellung über "Hans Christian Andersen in Dresden, Maxen und in der Welt der Literatur." Anlass der Schau im Museum der Dresdner Romantik im Kügelgenhaus ist der 150. Todestag Andersens dieses Jahr (4. August). Dabei könnte auch der gerade verstrichene 220. Geburtstag (2. April) als Jubiläumsdatum dienen.

Der Däne Hans Christian Andersen ist wohl der größte Märchendichter, den die Weltliteratur hervorgebracht hat. Jeder kennt "Das hässliche Entlein", "Des Kaisers neue Kleider", "Die kleine Meerjungfrau".
Als Andersen im Frühling 1831 zu seiner "Reise von Leipzig nach Dresden und in die Sächsische Schweiz", so der Titel seines gleichnamigen Reisebuches, aufbrach - seinem ersten, mühsam zusammengesparten Auslandsaufenthalt -, war es zum Ruhm noch weit.
Von den dänischen Kritikern wegen seiner mangelnden Bildung verhöhnt, war die Reise nach Sachsen für Andersen wie eine Flucht. Trotzdem wurden die Wochen in Sachsen für ihn zu einem Genuss. Zurück in der Heimat brachte er seine Erlebnisse zu Papier.
In Leipzig besuchte er auf dieser ersten Reise nach Sachsen unter anderem "Auerbachs Keller", wo schon Goethe tafelte, und die Nikolaikirche. Sein wichtigstes Reiseziel war Dresden, wo er den norwegischen Maler Johan Christian Clausen Dahl, der mit Caspar David Friedrich in einem Haus lebte, aufsuchte. In Dresden lebte außerdem der Dichter Ludwig Tieck, der "Meister einer ganzen Schule der romantischen Poesie, der Mann, der Goethe an Alter, Wert und Anerkennung bei seinen Landsleuten am nächsten steht."

Hans Christian Andersen: Heute als großer Dichter verehrt - früher von Kritikern verhöhnt

Tieck, der von 1819 bis 1841 am Altmarkt/Ecke Kreuzgasse (heute Kreuzstraße) wohnte, gehörte zu Andersens großen Vorbildern. Und er ermunterte den jungen Schriftsteller, der ihm kein Unbekannter war: "Wandeln Sie wohlgemut und heiter auf dem Wege der Poesie fort, den Sie schön und mutig betreten haben. Verlieren Sie nicht den Mut, wenn nüchterne Kritik Sie ärgern will."
Damit traf Tieck den wunden Punkt. Sein ganzes Leben war Andersen ruhelos, von Versagensängsten getrieben. "Nur wenn sie von allen bewundert wird, fühlt meine Seele sich glücklich; der Geringste, der dies nicht tut, kann mich missmutig machen", heißt es in seinen Lebenserinnerungen. Schon ein kleines Wort der Kritik lähmte seinen Lebensmut und seine Schaffenskraft manchmal für Monate, selbst als er schon weltberühmt war.
Besonders die Gedichte, Theaterstücke und Romane blieben lange Zeit - auch unter seinen Kollegen - umstritten. Da waren Tiecks salbungsvolle Worte für Andersens empfindliches Gemüt wie Balsam. Tieck war es auch, der dem jungen Kollegen "den Besuch der Gemäldegalerie und der Sächsischen Schweiz" ans Herz legte. "Erstere war unglücklicherweise geschlossen, da die Bilder aufs neue geordnet wurden", schrieb Andersen, aber er fand trotzdem einen Weg hinein.
Die kostbare Bildersammlung befand sich damals noch im "kurfürstlichen Stall", dem heutigen Stallhof. Die Sempergalerie gab es noch nicht. "Raffaels Madonna! Ich durchflog die Säle, um dieses Bild zu finden, und als ich vor demselben stand, da - setzte es mich gar nicht in Erstaunen. 'Ist dies das weltberühmte Bild?' dachte ich."
Aber nur wenige Minuten später war Andersens Enttäuschung großer Begeisterung gewichen: "Da fiel mir der Schleier von den Augen. Ich trat jetzt wieder vor sie hin, und nun erst fühlte ich das unendlich Wahre und Herrliche in diesem Bilde."
Ausstellung im Museum der Romantik soll Andersen ehren

Andersen fand Gefallen an den Kunstschätzen: "Mehr als das Grüne Gewölbe interessierte mich die Rüstkammer. Die ganze folgende Nacht träumte ich von nichts als von Dolchen und Messer, mächtigen Wachsfiguren und großen hölzernen Pferden."
Nachdem er sich an Dresden sattgesehen hatte, fuhr Andersen durch die Sächsische Schweiz, sah die Bastei, Schandau mit dem Lilienstein, Tharandt, den planschen Grund. Bevor er nach Dänemark zurückreiste, verabschiedete er sich von Tieck: "Ich sagte ihm Lebewohl. Möchte ich mal als Dichter der Welt etwas schenken können, wodurch ich dem großen Dichter zeigen könnte, dass er sich in dem Fremden nicht hat getäuscht."
Wenige Jahre später war Andersen berühmt. Aber seine Unsicherheit legte der kauzige Dichter nie ab. Immer wieder trieb sie ihn aus Dänemark hinaus, denn im Ausland, und hier besonders in Deutschland, galt der "Prophet mehr als im eigenen Lande". Mit insgesamt 29 Auslandsreisen war Hans Christian Andersen der meistgereiste Schriftsteller seiner Zeit.
14 weitere Besuche in Dresden stehen zu Buche, heißt es in einem Text zur Ausstellung, bei denen er zahlreiche Bekanntschaften machte. Vor allem zur Familie Serre, die in Maxen ein Rittergut besaß, festigte sich der Kontakt, sodass Andersen in den 1850er-Jahren fast jährlich nach Dresden und Maxen gereist sei.
In der Schau gezeigt werden Erstausgaben von Andersen-Büchern, Reproduktionen von Scherenschnitten, die Andersen anfertigte, ein Märchenbuch "Die Zahnfee" aus der Produktion von Karl August Lingner, mit dem dieser Werbung für Odol machte, Reproduktionen von Fotos und Gemälden von Persönlichkeiten, die Andersen in Dresden traf, und einiges mehr.
Die Ausstellung ist seit Samstag geöffnet und geht bis 15. März 2026.
Titelfoto: Montage Museum der Dresdner Romantik ; Norbert Neumann