Sabine Eberts "Silberbaum": Darum will die Bestseller-Autorin nicht im Mittelalter leben
Dresden - Sabine Ebert hat ein gutes Jahr 2023 hinter sich. Im April feierte sie ihren 65. Geburtstag. Zum fünfzigsten und sechzigsten Geburtstag habe sie mit dem Älterwerden gefremdelt, das sei vorbei, mit den 65 Jahren sei sie im Reinen, sagte sie TAG24 damals, anlässlich von Jugendwahn und Selbstoptimierungsdrang: "Jedes Fältchen bedeutet gelebtes Leben." Im November erschien der Auftaktband "Die siebente Tugend" ihrer neuen Romanreihe "Der Silberbaum", der flugs in die Spiegel-Bestsellerliste einstieg.
TAG24: Sie lieben die Historie. Würden Sie gerne in einem anderen Zeitalter leben?
Sabine Ebert: Wir leben gerade in schwierigen Zeiten. Aber ich wüsste keine Epoche, in der es besser wäre. Eher schlimmer. Denken Sie nur an das Ausmaß der Gewalt, die Rechtlosigkeit der Frauen, die medizinischen Bedingungen ...
TAG24: Mit "Der Silberbaum" kehren Sie in die Welt zurück, die schon in der "Hebammen-Saga" und dem "Schwert und Krone"-Zyklus eine große Leserschaft in den Bann gezogen hat. Was macht das Mittelalter zu einer so faszinierenden Zeit?
Ebert: Jede Epoche hat ihre Geschichten, die erzählt werden wollen. Ich bin ja eher aus Zufall im Mittelalter "gelandet". Ich wollte von den Siedlerzügen in den Osten und den ersten Silberfunden im Erzgebirge erzählen, das begab sich eben im 12. Jahrhundert zur Zeit Barbarossas.
Je tiefer man in den Quellen bohrt, umso mehr unglaubliche Storys findet man. Da bietet das deutsche Hochmittelalter viel Dramatik. Umbruchzeiten sind immer spannend. Doch egal, welches Jahrhundert: Für mich ist es wichtig, über deutsche Geschichte zu schreiben. Wir sollten mehr darüber wissen als das Wenige, das wir in der Schule dazu gelernt und dann zumeist vergessen haben.
"Was ich mir zurückwünsche: die Hochachtung vorm Buch"
TAG24: Inwieweit unterscheidet sich "Der Silberbaum" von der "Hebammen-Saga"?
Ebert: Die Handlung setzt im Jahr 1221 in der Mark Meißen ein, also mehr als zwanzig Jahre nach dem Ende der "Hebammen"-Saga. Wir treffen einige wenige alte Bekannte; das wird die Leser sicher freuen. Aber nicht mehr viele aus der Zeit von Marthe und Christian leben noch, nun müssen die nachfolgenden Generationen ran.
"Der Silberbaum" ist nicht die x-te Fortsetzung der "Hebammen-Saga" – die ist als Serie zu Ende erzählt –, sondern eine völlig neue Geschichte mit zumeist neuen Charakteren und einer anderen Erzählweise.
Mein neuer Roman ist dominiert von historisch verbürgten Figuren wie dem künftigen Markgrafen Heinrich dem Erlauchten, Kaiser Friedrich II. und der Heiligen Elisabeth von Thüringen. Mit ihnen agieren meine fiktiven Figuren.
TAG24: Ihre Bücher zeichnen sich durch Detailgenauigkeit aus. Wie recherchieren Sie?
Ebert: Die Recherche beginnt lange vorm Schreiben. Ich "wühle" mich durch dicke Stapel von Fachliteratur und stehe im Austausch mit Historikern, und das setzt sich während des gesamten Schreibprozesses fort. Deshalb brauche ich auch ein oder zwei Jahre intensiver Arbeit für ein Buch. Schneller geht es nicht, wenn es gut werden soll.
TAG24: Gibt es Sitten, Regeln, Gerichte oder Kleidung aus dem 13. Jahrhundert, die Sie sich gerne in die heutige Zeit zurückwünschen würden?
Ebert: Glauben Sie mir, ich weiß es aus praktischer Erfahrung: Sie möchten kein mittelalterliches Schuhwerk tragen, die Frauen kein Gebende, die Männer nicht Gambeson und Kettenhemd. Alles sehr unbequem. Von der Unterwäsche ganz zu schweigen!
Ich bin ein sehr vorwärts gewandter Mensch, obwohl und gerade weil ich historische Romane schreibe. Gerade die intensive Beschäftigung mit den Lebensumständen im Mittelalter lässt mich viele moderne Errungenschaften sehr schätzen.
Doch was ich mir vielleicht zurückwünsche: die Hochachtung vorm Buch. Bücher waren im Mittelalter Kostbarkeiten, nur wenige Menschen außerhalb der Klöster konnten sich eines leisten, und es waren alles kunstvoll verzierte Unikate.
Titelfoto: Eric Münch, KNAUR