Premiere der Bürgerbühnen-Produktion "Klassenbeste": Unsere Mütter können wir uns nicht aussuchen

Dresden - Freunde können wir uns aussuchen, unsere Mütter nicht. Diese gleichsam banale wie tiefgreifende Feststellung steht im Zentrum der Bürgerbühnen-Produktion "Klassenbeste". Das "Rechercheprojekt mit Töchtern und deren Müttern" ist die erste Regiearbeit der neuen Bürgerbühnen-Leiterin Christiane Lehmann - klug, teils witzig, oft berührend. Die Premiere war am gestrigen Samstag im Kleinen Haus 3 in Dresden.

Töchter und Mütter in "Klassenbeste" (v.l.): Julia Seeliger, Lily Pidun, Nadine Guratzsch, Larissa Kranz, Viktoria Nauck, Antje Pidun, Margit Nauck, Marianne Guratzsch, Angela Seeliger, Katja Kranz.
Töchter und Mütter in "Klassenbeste" (v.l.): Julia Seeliger, Lily Pidun, Nadine Guratzsch, Larissa Kranz, Viktoria Nauck, Antje Pidun, Margit Nauck, Marianne Guratzsch, Angela Seeliger, Katja Kranz.  © Sebastian Hoppe

Das Stück ist inspiriert von Marlen Hobracks Buch "Klassenbeste. Wie Herkunft unsere Gesellschaft spaltet". Der Programm-Flyer zitiert Hobrack: "Herkunft klebt wie Scheiße am Schuh". So drastisch sprechen die Spielerinnen es nicht aus, aber dass man seiner Herkunft nicht entkommen kann, wird deutlich.

Fünf Mütter zwischen 49 und 57 Jahren und ihre Töchter (17 bis 33), gekleidet in farblich aufeinander abgestimmten 50er-Jahre-Petticoat-Kleidern (Bühne und Kostüme: Yuni Hwang), stellen sich gegenseitig nie ausgesprochene Fragen. Dabei wechseln sich kollektive und individuelle Themen ab, mischt sich Privates mit Politischem.

So fragen die Töchter im Chor: "Mama, was wolltest du mal werden nach der Schule?" Auch Geld wird zum Thema: "Mama, was habe ich dich gekostet?" Werdegänge, die bis in die DDR-Spätphase zurückreichen, kommen zur Srache - Visionen, Karrieren, Trennungen, Enttäuschungen. Und die Mütter offenbaren, dass sie nicht immer "Mütter-Feelings" hatten, mit ihrer Rolle haderten.

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Und fragen chorisch zurück: "Hast du schon über deine Zukunft nachgedacht? Was willst du mal werden?"

"Klassenbeste": Bewegender Dialog über Verwerfungen in der Pubertät

Doch es wird auch intim und persönlich. Das Bühnenbild besteht aus zwei Pyramiden, die an einer Seite Sitzplätze haben, an der anderen je einen Videomonitor - die Spielerinnen schieben die Konstruktion immer wieder neu zusammen. Auf den dreieckigen Bildschirmen sind die Einzelgespräche zu sehen, die alle fünf Mütter und Töchter im Vorfeld miteinander geführt haben. Verbundenheit wird spürbar, aber auch Unsicherheiten. Die Frauen betrachten ihre Gespräche und kommentieren sie danach.

Sehr bewegend ist etwa ein Dialog über die Verwerfungen in der Pubertät - woher nur kam damals diese Wut? Im Anschluss sagt Mutter Angela Seeliger (57) zu Tochter Julia (33): "Du hast mich manchmal sehr auf Trab gehalten, aber ich hab dich immer geliebt." Das ist emotional anschlussfähig und sorgte im Publikum für manch feuchte Augen.

Liebes Bürgerbühnen-Team: Wie wäre es jetzt mit einer Fortsetzung über Väter und Söhne? Denn "Klassenbeste" wusste rundum zu überzeugen: begeisterter Applaus für eine famose Ensembleleistung.

Titelfoto: Sebastian Hoppe

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