Neuer Fotoband zeigt das alte Dresden in sieben Kapiteln

Dresden - Bücher über Dresden gibt es meterweise, auch Bildbände. Die meisten von ihnen schwelgen in Schönheit, wobei sie mal mehr, mal weniger inhaltliche Tiefe erreichen. Nun gibt es einen Band, der aus dem Einerlei herausragt, wir würden ihn gar zu einem der schönsten Dresden-Bände erklären, die es gibt und gab (zumindest so weit wir sie kennen).

Der Freiberger Platz in der Wilsdruffer Vorstadt, 1897.
Der Freiberger Platz in der Wilsdruffer Vorstadt, 1897.  © Stadtarchiv Dresden/courtesy Schirmer/Mosel

Das Buch geschrieben hat Andreas Krase (62), Kustos für Fotografie und Kinematografie an den Technischen Sammlungen Dresden, was aber nach begrifflicher Präzision verlangt.

Geschrieben hat Krase nur unter anderem, nämlich jenen detaillierten Fachaufsatz, mit dem der Band öffnet. Hauptsächlich hat er Fotos recherchiert, ausgewählt und zusammengestellt. Erschienen ist das Buch im Münchner Verlag Schirmer/Mosel, dessen Verleger Lothar Schirmer (76) sich seit Jahrzehnten um die bildhafte Erzählung von Stadtgeschichte verdient macht.

"Dresden in Photographien des 19. Jahrhunderts", so lautet der vollständige Titel des Bandes, der 250 historische Fotografien aus den Jahren 1850 bis 1916 enthält und damit jene Zeitspanne umfasst, in der Dresden nach Beginn der Industrialisierung zur modernen Großstadt heranwuchs. Unterteilt in sieben Kapitel sei das Buch aufgebaut wie ein Film, so Krase zu TAG24.

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Man könnte auch sagen wie eine Oper, denn es gibt eine "Ouvertüre" - die den Canaletto-Blick ins Bild hebt. Bellottos/Canalettos Gemälde "Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke" von 1748 eröffnet den Band, Seite an Seite mit einer den Canaletto-Blickwinkel adaptierenden Fotografie von 1881.

Insgesamt vier Canaletto-Gemälde durchziehen das Buch als bildnerische Bezugsgrößen.

Als die Moderne nach Dresden kam

Die Frauenkirche in voller Pracht, aufgenommen 1865 von Hermann Krone.
Die Frauenkirche in voller Pracht, aufgenommen 1865 von Hermann Krone.  © Montage: Hermann-Krone-Sammlung, IAPP, TU Dresden/courtesy Schirmer/Mosel

Es geht weiter mit Kapitel I "Die Residenzstadt". Aufnahmen von Semperoper, Zwinger, Residenzschloss, Hofkirche, Terrassenufer, Augustusbrücke und anderen relevanten Orten und Gebäuden. Darauf folgen Kapitel II "Altstadt und Neustadt" und Kapitel III "Die alte Stadt - Konversion", Untertitel "Bestandsaufnahme und Abriss".

Letzteres ist besonders interessant zu studieren im Zusammenhang mit Kapitel IV "Die neue Stadt - Wege in die Moderne"; da ist etwa in mehreren Aufnahmen dokumentiert, wie 1907 die alte Augustusbrücke abgerissen und die neue zu bauen begonnen wurde.

Besonders diese Bildstrecke ist es, die anschaulich macht, dass das viel beschworene "alte Dresden" von vor der Zerstörung 1945 kein Baudenkmal eherner Unantastbarkeit gewesen ist, sondern eine lebendige, sich dynamisch entwickelnde Stadt, die manch Altes gnadenlos tilgte, um Neues an dessen Stelle zu setzen.

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Abriss und Aufbau als stadtplanerisches Prinzip.

Fotos halten auch spektakuläre Ereignisse fest

Der Brand der Kreuzkirche am 16. Februar 1897.
Der Brand der Kreuzkirche am 16. Februar 1897.  © Stadtmusem Dresden/courtesy Schirmer/Mosel

In den Kapiteln V "Die Stadt als Schauplatz" und VI "Der Fluss als Schauplatz" rückt auch die Fotografie selbst in den Mittelpunkt. "Die sich wandelnde Stadt mutierte zum Ereignisraum und zur Folie für Berichterstattungen in der Presse", schreibt Krase. Der Lichtbildner ist mit einem Mal nicht mehr nur Dokumentarist oder Fotokünstler, sondern auch Reporter.

Spektakulär wirkt die anonyme Aufnahme vom Brand der Kreuzkirche am 16. Februar 1897, feierlich Ermengildo Donadinis Fotografie vom Einzug Kaiser Wilhelms I. am 14. September 1882, aufregend das Bild von der Landung des Luftschiffes "Sachsen" auf dem Dresdner Flugplatz am 19. September 1913. Die 1890 vom Elbehochwasser in Teilen überflutete Stadt ließ Momentaufnahmen von dramatischer Schönheit entstehen.

Kapitel VII handelt unter der Überschrift "Die Peripherie" unter anderem von den damaligen Vororten Blasewitz und Loschwitz. Herauszuheben ist die Gegenüberstellung Schillerplatz vor und nach dem Bau des Blauen Wunders.

Eine Aufnahme "Feierliche Einweihung der Loschwitzer Brücke" von August Kotzsch setzt dem Kapitel und dem Buch den Schlusspunkt.

Beim Elbe-Hochwasser im September 1890 war auch die in der Pirnaischen Vorstadt gelegene Marschallstraße überschwemmt.
Beim Elbe-Hochwasser im September 1890 war auch die in der Pirnaischen Vorstadt gelegene Marschallstraße überschwemmt.  © Stadtmuseum Dresden/courtesy Schirmer/Mosel

Auch ein Stück Geschichte der Fotografie

Kustos und Autor Andreas Krase (62). Der Band ist im Handel zu haben für 49,80 Euro.
Kustos und Autor Andreas Krase (62). Der Band ist im Handel zu haben für 49,80 Euro.  © imago images/Sven Ellger

Die Fotografien stammen aus unterschiedlichen Quellen, hauptsächlich dem Stadtmuseum und der Deutschen Fotothek. Manche der Aufnahmen sind bekannt, andere erscheinen zum ersten Mal in einer Buchveröffentlichung.

Ungefähr zwei Jahre vom ersten Anruf Lothar Schirmers an war Krase mit dem Buch beschäftigt, neben seiner Arbeit als Kustos. Eine Aufgabe mit Arbeitszeiten manchmal bis in die Nacht. Seit 1999 arbeitet er, der im Mecklenburgischen Malchow zur Welt kam, in Dresden, zunächst an der TU, wo er für die Sammlung des Fotopioniers Hermann Krone (1827-1916) zuständig war (der im Buch auch mit Aufnahmen vertreten ist), 2005 wechselte er an die Technischen Sammlungen.

Sein Buch zeigt nicht nur historische Stadtentwicklung, es ist auch ein wichtiges Dokument zur Geschichte der Fotografie, Fototechnik und -industrie, zu deren wichtigsten Standorten Dresden viele Jahrzehnte gehörte.

Entstanden ist ein vielschichtiger Band, unprätentiös und in manchen Sequenzen von fast soziologischer Genauigkeit, wenn nicht nur Gebäude und Straßenfluchten abgebildet werden, sondern immer wieder auch das Leben der Dresdner aufscheint.

Lange nicht, wenn überhaupt jemals, ist ein Fotoband dem alten Dresden und seiner Wirklichkeit so nah gekommen wie dieser. Eine imposante Neuveröffentlichung.

Titelfoto: Stadtarchiv Dresden/courtesy Schirmer/Mosel

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