Nachruf auf Thomas Fritsch: Der schwere Abschied von einer Legende
Dresden - Er war einer der besten deutschen Synchronsprecher aller Zeiten! Nun ist Thomas Fritsch, der sich auch als Schauspieler einen Namen machte, leider im Alter von 77 Jahren gestorben. Doch das filmische Erbe des gebürtigen Dresdners wird überdauern. Ein Nachruf.
Erstmals kam ich mit Fritsch 1994 in Berührung. Damals sprach er in Disneys Zeichentrick-Original "Der König der Löwen" den durchtriebenen Bösewicht Scar und verlieh diesem in der deutschen Fassung dank seiner markanten Stimme eine bedrohliche Aura.
Er schälte mit seiner Ausdrucksstärke und sprachlichen Vielfalt dessen Charakterzüge stärker heraus und lieferte eine wahrlich meisterliche Arbeit ab. Noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich Fritschs Scar sprechen höre und bevorzuge in diesem Ausnahmefall die deutsche Synchronfassung.
Für mich war "Der König der Löwen" DER Film meiner Kindheit. Er begeisterte mich so sehr, dass ich damals - 1994 und 1995 - sechsmal im Kino war und ihn auch begeistert bei der 3D-Wiederaufführung Ende 2011 auf der großen Leinwand genoss. Noch heute gucke ich mir dieses zeitlose Meisterwerk einmal im Jahr an.
Fritschs Anteil an diesem großartigen Erlebnis ist gewaltig, weil er aus Scar einen vielfältigen Bösewicht machte, der faszinierend und abstoßend zugleich war. Dazu half er dabei, die Balance zu wahren.
Denn obwohl der Bruder von Mufasa grausame Dinge tut, um König zu werden, konnte ich das als kleiner Junge verkraften. Scars Intrigen waren erschreckend und dennoch irgendwo nachzuvollziehen. Diese Ambivalenz war eine der größten Stärken von "Der König der Löwen".
Thomas Fritsch sprach in "Der König der Löwen" den Bösewicht Scar
Thomas Fritsch war die deutsche Stimme von Jeremy Irons und vertonte auch Diego in "Ice Age"
Doch natürlich sollte ein großartiger Künstler wie Fritsch nicht alleine auf diese Rolle beschränkt werden. Schließlich hat er laut der deutschen Synchronkartei in seiner langen Karriere insgesamt 307 (!) Sprechrollen gehabt. Davon werden einige die Zeit überdauern.
Er war der Stammsprecher von Hollywood-Star Jeremy Irons (72), den er unter anderem in "Batman v Superman: Dawn of Justice" (2016), "Königreich der Himmel" (2005) oder "Stirb langsam - Jetzt erst recht" (1995) vertonte.
Darüber hinaus blieb der bekennende Tierschützer den Löwen treu und sprach in "Die Chroniken von Narnia" den weisen Aslan und in "Konferenz der Tiere" (2010) Sokrates.
Auch einem beliebten Säbelzahntiger lieh er seine kernige Reibeisenstimme: Diego aus den fünf "Ice Age"-Filmen wird ebenfalls auf ewig mit Fritsch verbunden bleiben. Wie er es immer wieder schaffte, jede neue Figur zu prägen, war und ist auch weiterhin beeindruckend und spricht für seine herausragende Klasse.
Schon wenn ich vorab mitbekam, dass Fritsch wieder an Bord eines Filmes war, der mich interessierte, freute ich mich, weil ich seine tiefe Stimme sehr gerne hörte und mir seine Fähigkeiten immer wieder imponierten.
In "Der König der Löwen" sang Thomas Fritsch "Seid bereit"
Thomas Fritsch vertonte Russell Crowe in der deutschen Fassung des Meisterwerks "Gladiator"
Thomas Fritsch war gut 15 Jahre der Erzähler der Kult-Hörspielreihe "die drei ???"
Das gilt auch für den Disney-Dokumentarfilm "Im Reich der Raubkatzen" (2011), wo er die Rolle des Erzählers übernahm, den putzigen Schildkröten-Animationsfilm "Sammys Abenteuer" (2011), den actionreichen Animationsfilm "Kung Fu Panda" (2008), die Komödie "Der Zoowärter" (2011) oder die fünf "Dr. Dolittle"-Teile, wo er jeweils den Hund Lucky sprach.
Und das ist nur eine kleine Auswahl. Sein Herz für Tiere wird also schon durch seine Rollenauswahl deutlich.
Doch auch davon abgesehen war er voll im Geschäft: Er vertonte John Hurt (†77) in dessen Rolle als Zauberstabmacher Mr. Ollivander in drei "Harry Potter"-Filmen und war als Russell Crowes (57) Stimme unter anderem in "Gladiator" (2000) "Master & Commander" (2003) und "Das Comeback" (2005) zu hören.
Dazu agierte er von 2002 bis März 2017 als Erzähler der Kult-Hörspielreihe "Die drei ???". Das war jedoch nur ein Teil seines Lebens. Fritsch bestand aber aus so viel mehr. Er wurde - mitten im Zweiten Weltkrieg - am 16. Januar 1944 in Dresden als Sohn von Schauspieler Willy Fritsch (†72) und der Tänzerin Dinah Grace alias Ilse Schmidt (†47) geboren.
Die Familie flüchtete beim Kriegsende nach Hamburg, wo Fritsch aufwuchs und seine künstlerische Ausbildung durchlief und über erste Theaterauftritte den Sprung in den Filmbereich schaffte.
Legendäre Schluchtszene aus "Der König der Löwen" mit Thomas Fritsch als "Königsmörder" Scar
Thomas Fritsch spielte in "Der Wixxer" den Earl Of Cockwood
Thomas Fritsch trat unter anderem in "Der Wixxer" auf und war an der Seite vieler Stars zu sehen
Bereits 1962, im Alter von 18 Jahren, trat er neben Lilli Palmer (†71) und Charles Boyer (†78) in "Julia, du bist zauberhaft" auf. Im selben Jahr spielte er in "Das schwarz-weiß-rote Himmelbett" sogar die Hauptrolle.
Den Sprung nach Hollywood schaffte er trotzdem nicht. Auch in Deutschland zählte er phasenweise nicht mehr zur ersten Riege. Doch er kam immer wieder zurück und bleibt deshalb mehreren Generationen im Gedächtnis.
Im Laufe seiner langen Karriere war er an der Seite von Senta Berger, (79) Hildegard Knef (†76), Mario Adorf (90), Klaus Kinski (†65), Marie Versini (80) zu sehen, spielte in TV-Serien wie "Derrick", "Der Bergdoktor" oder "Rosamunde Pilcher" mit und hielt sich über Jahrzehnte im Kino- und Fernsehbereich. 2004 glänzte er dann noch einmal in der Krimikomödie "Der Wixxer" als Earl Of Cockwood.
Privat gönnte sich der Lebemann lange Zeit zwei verschiedene Wohnorte: München und die griechische Insel Mykonos, auf der er auch wilde Partys feierte und bei dem 1990 ein Gehirntumor diagnostiziert wurde, der aber operativ entfernt werden konnte.
Seinen Lebensabend musste er jedoch leider in einem Seniorenzentrum verbringen. Denn bereits 2019 wurde bekannt, dass er an Demenz erkrankt war. Doch so traurig das ist und so schwer der Abschied von ihm auch fällt: Der Gedanke, dass seine umfangreiche filmische Lebensleistung noch viele Menschen unterhalten und vielleicht sogar begeistern wird, ist tröstend. Mach es gut, Legende!
Titelfoto: dpa/Horst Ossinger