Kabarett-Legende Wolfgang Schaller: Zum 85. Geburtstag kommt die "Zeitenwände"

Dresden - Kabarettist Wolfgang Schaller feiert im April seinen 85. Geburtstag. Sein Name ist wie kein anderer mit der Dresdner Herkuleskeule verbunden. Mit 50 Keule-Jahren gehört er zwar nicht zu den Gründern von 1961, aber zweifelsohne zum Urgestein des Kabaretts. Am 17. März erscheint sein neues Buch "Zeitenwände".

Kabarettist Wolfgang Schaller (84) schenkt sich zum Geburtstag sein mittlerweile viertes Buch.  © Sebastian Kahnert/ZB/dpa

Schaller wechselte 1970 von Kombinats-Kabarett "Die Lachkarte" des VEB Robotron zur Keule, deren Leitung er von 1986 bis 2017 übernahm. Er wollte nur als Honorarkraft einspringen - ein Lebenswerk wurde daraus.

Über 50 Programme schrieb der gebürtige Breslauer für die Herkuleskeule - steht noch immer selbst auf der Bühne, etwa mit dem Programm "Eh ich's vergesse".

Schaller wurde mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet, erhielt nach der Wende den "Stern der Satire" und regiert seit wenigen Wochen als Grünkohlkönig des Dresdner Presseclubs.

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Drei Bücher hat Schaller verfasst - nun erscheint sein viertes unter dem Titel "Zeitenwände" (160 Seiten, Eulenspiegel Verlagsgruppe, 15 Euro).

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Schaller über sein neues Werk: "Würde das gern meiner Herzenspartnerin widmen"

"Zeitenwände" erscheint am 17. März in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.  © PR

"Wenn das Buch erscheint, wird das Land einen neuen Kanzler haben. Gut wär’s, ihm das Vertrauen zu entziehen. Am alten war nichts neu und am neuen wird alles alt sein", unkt Schaller.

"Ich würde mir das Buch gern zu meinem 85. Geburtstag schenken und meiner Herzenspartnerin Birgit widmen, weil sie seit über vierzig Jahren an meiner Seite und nun auch noch mit mir auf der Bühne steht."

Aufgepasst: TAG24 präsentiert Euch hier ein Kapitel exklusiv vorab und beweist: Eine spitze Zunge kennt kein Alter!

Leseprobe zum Buch "Zeitenwände" von Wolfgang Schaller

Guten Tag. Mein Name ist Frau Lindskötter. Ich bin seit einem Jahr Lehrerin an der Dieter-Bohlen-Gesamtschule in Dresden-Pieschen. Ich bin Seiteneinsteigerin. Als ich von den Zuständen in unserem Schulsystem hörte, hatte ich plötzlich das Bedürfnis, meinen eigenen Beitrag zum Elend zu leisten. Deshalb habe ich meinen Beruf als Gefängniswärterin an den Nagel gehängt. Doch schon in einem kurzen Praktikum wurde mir klar, dass auch die Schule ein Gefängnis ist. Nur dass in der Schule die Insassen die Wärter foltern.

Wissen Sie, wie es in einer Schule zugeht? Ich sag es Ihnen: Saufen und rauchen, aber nicht lesen und rechnen können. Und bei den Schülern sieht es nicht viel besser aus. Und vor dem Klassenzimmer wartet auch noch eine keifende Menge und ruft: Wir sind die Eltern! Eine Horde von paranoiden Mutterschiffen, die von mir verlangen, dass ich aus ihrem kleinen Dummfick ein Jahrhundertgenie mache! Als ich einer Schülerin einen Eintrag gab, weil sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat, schrie mich die Mutter an: Wie können Sie meine Karen-Vanessa für etwas bestrafen, was sie gar nicht gemacht hat!?

Und dann in meiner Klasse der Robert, so ein Mini-Skinhead, der Robert ist so rechts, der ist siebenmal durch die Mofaprüfung gefallen, nur weil er sich geweigert hat, links abzubiegen. Und was man laut Lehrplan alles lehren muss: 90 Prozent des Lehrstoffs, den die Schüler auswendig pauken müssen, sind Müll. Zu welcher Wortgruppe gehört das Wort manche? Wissen Sie’s? Braucht im Leben niemand, muss aber in der 5. Klasse in die Köpfe getrichtert werden.

Das nur als Beispiel, dass unser Bildungssystem aus Zeiten stammt, in denen wir noch auf den Bäumen saßen. Und dann rief jemand: Alles, was bis drei zählen kann, runter von den Bäumen. Und die, die runtersprangen, wurden Lehrer. Aber wer will heute noch Lehrer werden? Bei Schülern, die nicht mehr lernen wollen. Fragen Sie mal einen Abiturienten, wie Goethe mit Vornamen heißt. Der wird Ihnen antworten: Fakju. Ich halte das als Lehrerin nicht mehr aus! Ich kündige!

Ich hab mich als Chirurgin in der Uniklinik beworben. Die suchen dort Seiteneinsteiger.

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