Hommage an Erich Kästner: Serkowitzer Volksoper bringt "Kennst du das Land, wo die Optionen blühn?"

Dresden - Von vielen wird Erich Kästner dieser Tage geehrt, jähren sich doch 2024 sowohl 125. Geburtstag wie 50. Todestag des in Dresden geborenen Schriftstellers. Auch die Serkowitzer Volksoper widmet ihre neue Musiktheater-Produktion dem großen Humanisten. "Kennst du das Land, wo die Optionen blühn?" erzählt von den Nöten und Sehnsüchten "kleiner Leute" - melancholisch, witzig und mitreißend.

Krügel (Wolf-Dieter Gööck, 70, r.) überzeugt die "Bremer Stadtmusikanten" (v. u.: Cornelius Uhle, Dorothea Wagner, Marie Hänsel, Julia Böhme) vom Hierbleiben.
Krügel (Wolf-Dieter Gööck, 70, r.) überzeugt die "Bremer Stadtmusikanten" (v. u.: Cornelius Uhle, Dorothea Wagner, Marie Hänsel, Julia Böhme) vom Hierbleiben.  © Robert Jentzsch

Es ist die letzte Inszenierung von Wolf-Dieter Gööck (70), der auch für Dramaturgie und Textbearbeitung verantwortlich zeichnet, noch einmal singt und spielt. Sein Volksopern-Mitgründer Milko Kersten hat wie gewohnt die kompositorische Einrichtung besorgt und fungiert als musikalischer Leiter des fünfköpfigen Ensembles "Musi nad Labem".

Eine große Erzählung gibt es diesmal nicht, sondern eine Folge von fünf Solostücken, deren Charaktere dem Werk Kästners entlehnt sind.

Namen, Zitate und Verweise hat Gööck zu einer Collage gefügt, eine Hommage an den Autor - auch wenn vielleicht nur eingefleischte Kästner-Kenner jede Anspielung zu entschlüsseln wissen.

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Denn die Einakter beruhen auf eher unbekannten Kurzerzählungen Kästners, die meist in Zeitungen publiziert wurden und erst seit wenigen Jahren im Band "Der Herr aus Glas" in Buchform vorliegen.

Der Titel des Stücks verweist auf das Goethe antizipierende Gedicht "Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?", mit dem Kästner 1927 die Kriegslüsternheit des militarisierten Deutschlands karikierte.

Erich Kästner in der Serkowitzer Volksoper: Fünf bewegende Geschichten

Passend zum Hafenschauplatz musiziert das Ensemble um Kapellmeister Milko Kersten (r.) in Matrosenkostümen.
Passend zum Hafenschauplatz musiziert das Ensemble um Kapellmeister Milko Kersten (r.) in Matrosenkostümen.  © Robert Jentzsch

Die nun eingewechselten "Optionen" beschreiben das übergeordnete Thema: In allen fünf Geschichten geht es um Menschen in einer Lebenskrise, die ihr Heil im Weggehen sehen - mit dem Schiff in die Welt.

Auch werden Kästners Motive mit dem Märchen der "Bremer Stadtmusikanten" verwoben, und deren Motto "Etwas Besseres als den Tod findest du überall".

Da ist der entlassene Fabrikarbeiter Dalg, der mit seiner Geige in Treppenhäusern um Almosen spielt, berührend gegeben von Bariton Cornelius Uhle. Da ist Paula, die statt Füßen Wurzeln hat, nicht wegkann und als lebende Litfaßsäule arbeiten muss.

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Sopranistin Dorothea Wagner singt koloratursatt, spielt ausdrucksvoll mit witziger Marionetten-Gestik und verwickelt das Ensemble in Kanon-Gesänge. Neben dem kleinen Jungen Fritz (Marie Hänsel), der seine kranke Mutter im fernen Berlin besucht, ist da noch die Lebedame Mia, deren Wohnhaus ausgebombt wurde.

Altistin Julia Böhme gibt sie, Operettenmelodien intonierend, urkomisch mit Berliner Kodderschnauze. Gööck selbst schließlich verzweifelt als alter Krügel am geistlosen Beamtendasein. Herrlich, wenn das Klacken seines Stempels langsam den Rhythmus von Pink Floyds "Money" einleitet.

Musikalische Vielfalt und optimistisches Finale: Ein hinreißendes Theatererlebnis

Wolf-Dieter Gööck (l.), der Leiter des Ensembles, feiert mit dem Stück seinen Abschied als Regisseur.
Wolf-Dieter Gööck (l.), der Leiter des Ensembles, feiert mit dem Stück seinen Abschied als Regisseur.  © Robert Jentzsch

Unerwartetes Stück, aber auch das ist schön: Selten war die musikalische Bandbreite so groß, sie eicht vom 18. Jahrhundert bis zum Jazz von Dave Brubeck, hinreißend lebendig gespielt mit Percussion und Akkordeons.

Am Schauplatz einer Schiffsanlegestelle stellen die fünf Ausreisewilligen schließlich fest, dass man für einen Neuanfang auch dableiben könne: "Etwas Besseres als den Tod finden wir auch hier".

Was konkret auf Kästner verweist, der aus vielfältigen Gründen nicht aus Nazi-Deutschland emigrierte. Optimistisches Finale dieses wunderbaren, begeistert gefeierten Stückes.

Elf Vorstellungen sind in der Dresdner Sommerwirtschaft Saloppe vorgesehen, zunächst bis 26. Juni, dann wieder ab 11. August. Es lohnt sich!

Titelfoto: Robert Jentzsch

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