Ein großes Herz für Musik: Filmregisseur Andreas Dresen inszeniert an der Semperoper

Dresden - Filmemacher Andreas Dresen (59) ist bekannt für tragikomische Alltags-Geschichten mit oft ostdeutschem Hintergrund, wie "Gundermann" (2018). Doch er inszeniert auch Opern, aktuell - erstmals an der Semperoper Dresden - "Pique Dame", Tschaikowskys Spätwerk über den Kartenspieler Hermann, den seine fatale Leidenschaft ins Verderben treibt. Premiere ist am 1. Juli.

Regisseur Andreas Dresen (59) entspannt am Funktionsgebäude der Semperoper. Er sagt: "Es ist ein Luxus, an so einem wunderschönen Haus arbeiten zu dürfen."
Regisseur Andreas Dresen (59) entspannt am Funktionsgebäude der Semperoper. Er sagt: "Es ist ein Luxus, an so einem wunderschönen Haus arbeiten zu dürfen."  © Thomas Türpe

Oper war für Dresen immer von Reiz. "Es ist jedes Mal eine tolle Erfahrung für mich, weil ich dabei so viel lerne", sagt er.

"Pique Dame" ist seine fünfte Opern-Inszenierung. Er suche sich diese Arbeiten nicht gezielt aus, sie würden ihm angeboten, wie von Semperoper-Intendant Peter Theiler: "Wenn’s mir gefällt, sage ich zu."

Der Stoff müsse ihn inhaltlich interessieren, er aber auch mit der Musik klarkommen. "Pique Dame" findet Dresen dramaturgisch trickreich.

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"Das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft ist für mich das zentrale Thema. Die Hauptfigur Hermann ist ein Außenseiter. Aber er möchte so gerne dazugehören zur Gesellschaft, ein besseres Leben führen. Dafür ist er bereit, über Leichen zu gehen. Das hat für mich etwas sehr Gegenwärtiges."

Dresen, der in einer Gundermann-Band Rock spielt, hat auch Affinität zur Klassik: "Ich höre sehr viel und querbeet. Ich habe ein großes Herz, was Musik betrifft."

Vier Wochen Zeit für ein dreistündiges Stück

Eine Aufnahme von den Proben: Sergey Polyakov singt in "Pique Dame" den Hermann.
Eine Aufnahme von den Proben: Sergey Polyakov singt in "Pique Dame" den Hermann.  © Semperoper Dresden/Ludwig Olah

In der Oper sei die Musik komponierter Subtext, erklärt der Regisseur, dessen erste Opern-Inszenierung 2006 "Don Giovanni" in Basel war. Da habe er erst begriffen, wie raffiniert Komponisten die Psychologie von Figuren musikalisch miterzählten. Noten lesen könne er nicht, sagt er.

Zwischen der Arbeit bei Film und Oper gebe es wenig Überschneidungspunkte, ergänzt der überzeugte Teamworker, der sonst gerne improvisieren lässt.

Dresen: "Es ist wie ein anderer Beruf, der nur an wenigen Stellen das gleiche Handwerkszeug erfordert, beispielsweise große Gruppen von Menschen zu führen und zu motivieren."

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Letztlich habe er an der Oper nur vier Wochen Zeit, ein dreistündiges Stück zu inszenieren und eine Stimmung herzustellen, in der alle Lust haben auf diese gemeinsame Unternehmung:

"Da ist nicht viel Platz für Improvisation. Momentan leitet ja schon der Dirigent die Proben, da hat der Regisseur dann nicht mehr viel zu melden."

Die Fantasie des Zuschauers

Die Arbeit mit dem Dirigenten sei gleichwohl sehr eng gewesen: "Mikhail Tatarnikov war die ganze Zeit bei den szenischen Proben an meiner Seite. Das war für mich superschön, weil er cool ist und ein absoluter Theatermann."

Er, Dresen, wolle vor allem Geschichten erzählen. So, dass sie alle verstehen. Dabei aber eine eigene Sicht entwickeln, die eine Brücke in die Gegenwart schlägt. Dafür verzichte er stets auf naturalistische Dekorationen: "Das funktioniert für mich auf der Bühne nicht, interessiert mich da auch nicht."

Film könne Realität wunderbar abbilden, die Bühne hingegen müsse die Fantasie des Zuschauers beflügeln.

Den nächsten Film dreht er 2024, eine neue Version der "Weihnachtsgans Auguste". Er wird es ganz anders machen, als in der bekannten Verfilmung, so viel stehe fest. Und er habe auch keine Angst vor Kritik: "Mit Angst ist man nicht gut beraten in meinem Beruf."

Das gelte auch für die Oper. Da sei man als Regisseur ohnehin immer im Dilemma: "Macht man's traditionell, heißt es: Dem ist gar nüscht eingefallen. Macht man's modern, hassen einen die Zuschauer."

Andreas Dresen gibt zu: "Ich bewege mich auf gefährlichem Terrain, weil die Oper nicht mein gewohntes Biotop ist, aber gerade das finde ich spannend. Es ist eine Selbstverunsicherung, der ich mich gerne aussetze und die ich auch genieße."

Titelfoto: Fotomontage: Thomas Türpe//Semperoper Dresden/Ludwig Olah

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