Dresden - Vor fünfzig Jahren zogen Karl-Heinz (80) und Helga Diener (76) in die Dresden-Johannstädter Platte, integrierten sich schnell in die DDR-Hausgemeinschaft. Zweimal wurden sie an der Florian-Geyer-Straße 2 als "vorbildlich" ausgezeichnet, seit 1977 zierte eine erste Ehrenplakette, ab 1986 eine Goldene Hausnummer den Eingang. Karl-Heinz und Helga gehören zu den letzten Zeitzeugen von früher.
Mit Zentralheizung und eigenem Bad im Plattenbau zu wohnen, galt in der DDR als Jackpot. Noch besser war dran, wer sich mit seinen Hausbewohnern verstand, keine Angst vor Stasi-Spitzeln hatte.
Harmonisch ging es in der Florian-Geyer-Straße 2 zu: Diese Hausgemeinschaft wurde 1977 als "vorbildlich" ausgezeichnet, 1986 mit der "Goldenen Hausnummer" prämiert. Das Ehepaar Diener weiß noch, wie das Zusammenleben damals war.
"Wir haben Geburtstage, Weihnachten und Silvester grundsätzlich gemeinsam gefeiert", erinnern sie sich nostalgisch. Sie bewohnen seit 50 Jahren dieselbe Zweiraumwohnung im neunten Stock, blicken gerne auf das einst wuselige Leben an der Florian-Geyer-Straße 2 zurück. "Fast jedes Wochenende haben wir uns getroffen. Sonntags war Frühschoppen und Skat angesagt."
Zum eiskalten Jahreswechsel 1978/79, als Schneestürme über die Elbestadt fegten, nutzten die Hausbewohner den Frost und bauten eine Eisbahn für die Kinder.
Im Keller richteten sie sich einen Hausgemeinschaftsraum ein, installierten sogar Sanitäranlagen in Eigenregie, machten das Kellerabteil mit selbstgenähten Tischdecken, Kunstblumen und Wandschmuck so richtig gemütlich.
"Ich habe Holzkisten organisiert und mit den Latten die Wände verkleidet", erzählt Karl-Heinz Diener.
Hausgemeinschaft zerbrach nicht an der Politik
Die Bewohner veranstalteten gesellige Folklore- und Sing-Abende, luden bekannte Musiker in den "Wilden Florian" ein. Eine Wandtafel zeigt Dutzende Autogramme, selbst von Chansonnière Dorit Gäbler (82). Zu festlichen Anlässen spendete der Fleischer einen Schweinskopf, mixte ein anderer Drinks als "Barkeeper".
Regelmäßig gab es Arbeitseinsätze: Dann tapezierten sie den Hauseingang, strichen Wände oder installierten Blumenkästen. Erinnerungen an Auszeichnungen als "Vorbildliche Hausgemeinschaft" sind den Zeitzeugen weniger präsent. "Darum hat sich der Hausgemeinschaftsleiter gekümmert", sagen sie.
Schaut man sich dessen Bewerbungsschreiben an die Nationale Front der DDR an, wird klar: Politische Loyalität war wichtig, um nominiert zu werden. Immer wieder verweist er auf sozialistische Ideale. An Politik zerbrach die Hausgemeinschaft letztlich nicht - Lästereien waren der Grund, sagt Helga Diener.
Heute hat ihr liebevoll eingerichteter Gemeinschaftsraum musealen Charakter, haben nur die Dieners noch einen Schlüssel. Die meisten ihrer Haus-Freunde sind längst weggezogen oder verstorben.
An die vorbildliche Hausgemeinschaft von damals erinnern nicht mal mehr die typischen Plaketten. Sie wurden nach der Wende ohne großes Aufsehen entfernt ...
Das war die Goldene Hausnummer
Im DDR-Regime sollten Wettbewerbe um Auszeichnungen wie die "vorbildliche Hausgemeinschaft" oder "Goldene Hausnummer" Ansporn für Hausbewohner sein, ihre Wohnumgebung zu verschönern.
Allein in Dresden wurden über die Jahre hunderte Hausgemeinschaften mit Goldenen Hausnummern ausgezeichnet.
Das gemeinschaftliche Heimwerken wurde auch deshalb gefördert, weil es mit der sozialistischen Idee korrespondiert: Die Mieter bewiesen mit ihrer Teilnahme, dass sie nicht egoistisch, sondern kollektiv und zum Wohle der Gemeinschaft handelten.
Außerdem entlasteten fleißige Hausgemeinschaften, die etwa regelmäßig Grünpflege betrieben oder Putz ausbesserten, die staatlichen Kommunalen Wohnungsverwaltungen.
Denn in der DDR-Planwirtschaft reichten Personal und Material vielfach nicht aus, um den staatlichen Wohnraum instand zu setzen. Da kamen Wettbewerbe als Anreiz für Hausbewohner, selbst anzupacken, gerade recht.