Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame" feiert Premiere im Dresdner Schauspielhaus!

Dresden - Die 1956 in Zürich uraufgeführte Tragikomödie "Der Besuch der alten Dame" war nicht der erste literarische Erfolg Friedrich Dürrenmatts, doch begründete sie seinen Weltruhm und machte ihn finanziell unabhängig. Die Parabel über die Macht des Geldes, sie war für ihren Autor ein lohnendes Geschäft. In der Inszenierung von Nicolai Sykosch erlebte das Stück am Freitag Premiere im Schauspielhaus.

Anna-Katharina Muck als Claire Zachanassian.
Anna-Katharina Muck als Claire Zachanassian.  © Sebastian Hoppe

Fünfzehn Jahre sind vergangen, seit Armin Petras das Stück im Kleinen Haus als vereinigungskritische Neubearbeitung auf die Bühne brachte.

Die verarmte Stadt Güllen, Schauplatz des Stücks, war eine heruntergekommene Kommune in Ostdeutschland. Nicolai Sykosch verzichtet auf ein konkretes Zeitkolorit, allein der ungeschickte Umgang mit einem - anscheinend neuartigen - Funktelefon und dass die Rächerin Claire Zachanassian den erfüllten Mordauftrag am Ende altmodisch mit einem Scheck begleicht, zeigen an, dass wir uns in einer Vorgegenwart befinden.

Das Beschwören der "Kulturstadt" im Text zielt auf Dresden als Alter Ego Güllens.

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Die mondäne Milliardärin und einst mittellose Bewohnerin Güllens, geborene Klara Wäscher, kehrt zurück, um Gerechtigkeit zu erfahren. Als junge Frau war sie von Alfred Ill, der nunmehr ein geachteter Bürger mit Ambitionen aufs Bürgermeisteramt ist, geschwängert worden.

Ill stritt die Vaterschaft vor Gericht mithilfe falscher Zeugen ab, heiratete des Geldes wegen eine andere, das Kind starb jung, Claire wurde vertrieben und landete in der Prostitution, bevor sie durch Heirat zu unermesslichem Reichtum gelangte. Eine Milliarde verspricht sie nun Güllen und seinen Einwohnern, wenn sie dafür Ill vom Leben zum Tode befördern.

"Der Besuch der alten Dame": Von Mord und Milliarden

Am Freitag war Premiere im Schauspielhaus Dresden. (Archivbild)
Am Freitag war Premiere im Schauspielhaus Dresden. (Archivbild)  © Hendrik Schmidt/dpa

Eine Geschichte sei dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat, so formulierte Dürrenmatt es in seiner Dramentheorie.

Dass die anfangs ob des unmoralischen Angebots der Milliardärin entrüsteten Güllener am Ende bereit sind, ihren Mitbürger Ill zu meucheln und dafür gute Gründe anführen, erfüllt diese Forderung.

Dürrenmatt arbeitet mit den humoristischen Mitteln der Groteske, der Überzeichnung. Der Mensch als korruptes, unwürdiges, lachhaftes Wesen. Wohlstandskritik, Kapitalismuskritik ist dem Stoff eingeschrieben, natürlich, doch ist diese Lesart durch vielerlei Inszenierungen ausgeleuchtet und schwerlich noch als originell zu bezeichnen.

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Sykosch geht einen anderen Weg, er entscheidet sich in konservativer Auslegung für das Allgemeingültige der Parabel. Das lässt den Zuschauer angesichts der Entlarvung des Menschen in seiner Niedrigkeit zustimmend mit dem Kopf nicken, es belustigt auch in Bitterkeit, aber packen oder aufwühlen - nein, das tut es nicht.

Gutes Stück, aber...

Der Schweizer Schriftsteller und Maler Friedrich Dürrenmatt (†69) verstarb am 14. Dezember 1990. (Archivbild)
Der Schweizer Schriftsteller und Maler Friedrich Dürrenmatt (†69) verstarb am 14. Dezember 1990. (Archivbild)  © Oliver Berg/dpa

Ein Grund dafür mag sein, dass sich das Staatsschauspiel - wie viele Theater, wenn es an "die alte Dame" geht - für die theatergerechte und nicht die, nach Dürrenmatt, "literarisch gültige" Stückfassung entschied. Letztere überzeugt mit einem viel größeren Figurentableau, als es die meisten Theater noch zu besetzen bereit sind.

So reist Claire Zachanassian eigentlich mit einem riesigen Gefolge schräger Charaktere in Güllen an, dazu gehörend ihre Ehemänner sieben bis neun, die freigekauften Gangster und Sänftenträger Toby und Roby, die ehemals falschen Zeugen aus dem Vaterschaftsprozess und nunmehr geblendeten Eunuchen Koby und Loby sowie ihr Butler, früher Richter im Prozess, jetzt ein gekauftes, willenloses Werkzeug der reichen Witwe.

Claire Zachanassian hat längst furchtbare Rache genommen an denen, die ihr Unrecht taten, Ill ist bloß das letzte Glied in der Kette. Verzichtet man in einer Theaterproduktion auf all das, nimmt es nicht allein der illustren Titelfigur, sondern dem Stück im Ganzen eine wichtige Dimension.

Das Ensemble, voran Anna-Katharina Muck als alte Dame und Ahmad Mesgarha als Ill, spielt gut, doch bleibt am Ende schulterzuckend der Eindruck, nichts Überraschendes und Inspiriertes, sondern lediglich Übliches gesehen zu haben.

Titelfoto: Bildmontage: Hendrik Schmidt/dpa, Sebastian Hoppe

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