Experiment mit Buchvorlage: Dresdner Theater wandert auf die Hauptstraße

Dresden - In seinem Roman "Nullerjahre" schildert Hendrik Bolz (36) roh seine Jugend in Stralsund zwischen Kloppereien und Suff. Das Staatsschauspiel bringt den Bestseller von 2022 jetzt auf die Bühne. Wobei Bühne nur halb stimmt: Die ungewöhnliche Inszenierung führt das Publikum vom Kleinen Haus über Spielorte im Stadtraum zum Finale in ein leer stehendes Ladengeschäft auf der Hauptstraße. "Ein Experiment", sagt Regisseur Kajetan Skurski. Das auch scheitern könne.

Kaya Loewe (l.) und Josephine Tancke in einer Konzertszene der Inszenierung "Nullerjahre" nach dem Roman von Hendrik Bolz.
Kaya Loewe (l.) und Josephine Tancke in einer Konzertszene der Inszenierung "Nullerjahre" nach dem Roman von Hendrik Bolz.  © Holm Helis

Austeilen und Auf-die-Fresse-Kriegen: Hendrik Bolz - 1988 in Leipzig geboren, in einem Stralsunder Plattenbauviertel aufgewachsen, später Teil des Berliner Rap-Duos "Zugezogen Maskulin" - hat seinem Buch den zynischen Untertitel "Jugend in blühenden Landschaften" gegeben.

Es ist eine Mischung aus Coming-of-Age-Geschichte und Strukturanalyse von Gewalt und Rassismus aus Tätersicht. Nicht mehr in der direkten Nachwendezeit spielend, sondern in einer Zeit des Wandels. Eine Bewegung, die nun in der Inszenierung von Kajetan Skurski spürbar werden soll.

Der Regisseur (Jg. 1991): "Im Buch fand ich mich selbst wieder und habe sofort überlegt, wie man den Stoff auf die Bühne bringen kann."

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Schnell war klar: Der Weg vom Aufwachsen in der Platte bis ins Heute sollte in einem tatsächlichen Weg abgebildet werden. Dafür suchte man authentische Plätze in der Nähe des Kleinen Hauses und fand schnell ein aufgelassenes Ladengeschäft als zweiten Spielort.

Die Proben im ehemaligen Geschäft locken draußen oft Zaungäste an die Schaufensterscheibe.
Die Proben im ehemaligen Geschäft locken draußen oft Zaungäste an die Schaufensterscheibe.  © Holm Helis
Regisseur Kajetan Skurski.
Regisseur Kajetan Skurski.  © Holm Helis

Vonovia stellt Ladengeschäft bis Dezember mietfrei zur Verfügung

Das frühere Ladengeschäft "Holzconnection" auf der Hauptstraße 30 wird zum temporären Spielort für das Staatsschauspiel.
Das frühere Ladengeschäft "Holzconnection" auf der Hauptstraße 30 wird zum temporären Spielort für das Staatsschauspiel.  © Holm Helis

Es ist das leerstehende Ladengeschäft "Holzconnection" in der Hauptstraße 30, das zu Ehren des Autors vorübergehend in "Bolzconnection" umbenannt wird.

Das Wohnungsunternehmen Vonovia stellt die Räumlichkeit bis Dezember mietfrei zur Verfügung. "Wir stehen für kulturelles und soziales Leben in der Stadt und engagierten uns für das Quartier rund um die Hauptstraße", so Vonovia-Regionalleiter Alexander Wuttke.

Seit April wurde der Raum umgebaut. Mit neu gestalteter Fassade, verlegtem Teppichboden, Licht- und Ton-Installation können jetzt bis zu 84 Zuschauer rundum bespielt werden.

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Dorthin führen szenische Spaziergänge für drei Zuschauergruppen. Dabei sollen laut Regisseur Skurski die Plattenbauwelten noch einmal intensiv erfahrbar werden.

So läuft eine Route über einen Spielplatz, an dem Saufexzesse inszeniert werden, eine andere Tour führt über den Jorge-Gomondai-Platz, an dem Gewalttaten aufgegriffen werden. "Wir haben mit Hendrik Bolz den Text auf Dresdner Verhältnisse umgeschrieben", sagt Skurski.

Dass "Nullerjahre" bereits mehrfach von anderen Theatern inszeniert wurde, stört ihn keineswegs: "Ich habe das nicht beachtet. Eher bin ich froh, dass wir nicht die Ersten sind und Zeit hatten für eine eigene Herangehensweise." Ob diese funktioniert, zeigt sich am Sonntag ab 19.30 Uhr - dann ist Premiere.

Titelfoto: Bildmontage: Holm Helis

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