Dresdner Philharmonie-Intendantin Frauke Roth: "Wir sind gewappnet"
Dresden - Die Dresdner Philharmonie startet ins neue Jahr. Die Herausforderung ist groß, weil das Orchester, wie alle städtischen Kultureinrichtungen, aller Voraussicht nach erhebliche finanzielle Einbußen hinnehmen muss. Wir sprachen mit der Intendantin über die Etatkürzungen, ehrgeizige Pläne, Rückschläge und die Aufgabe eines Orchesters in Zeiten der Krise.
TAG24: Frau Roth, mit Beginn des Jahres 2025 begehen Sie Zehnjähriges als Intendantin der Philharmonie. Wird das Jahr angesichts der bevorstehenden Etatkürzungen Ihr bislang schwierigstes?
Frauke Roth: Es wird sicher herausfordernd, aber wir sind krisenerprobt. Nehmen wir allein den mit der Corona-Pandemie verbundenen Shutdown weiter Teile des öffentlichen Lebens, der uns massiv traf: Wir mussten ideenreich gegenarbeiten, das heißt den Orchesterbetrieb aufrechterhalten, Aufnahmen machen, die digitale Transformation hinkriegen, den Kontakt zum Publikum nicht abreißen lassen. All das haben wir geschafft. Auch jetzt sind wir gewappnet.
TAG24: Wie viel Geld wird der Philharmonie mit dem Doppelhaushalt 2025/26 voraussichtlich gestrichen?
Roth: Zurzeit stehen zehn Prozent unseres Sachkostenetats zur Debatte. Das entspricht etwa einer halben Million Euro.
Roth: "Wir sind bei 90 Prozent Publikumsauslastung"
TAG24: Sie verfolgen eine ambitionierte Orchesterpolitik, mit vielen Neuerungen. Wie wollen Sie die Kürzungen auffangen - gibt es Projekte, die Sie zurücknehmen müssen?
Roth: Es sind verschiedene Maßnahmen, mit deren Hilfe wir der Situation begegnen. Zum einen kommen wir nicht umhin, mit der kommenden Spielzeit die Eintrittspreise zu erhören. Das geschieht im Rahmen von zwei bis fünf Euro pro Ticket und ist vom Stadtrat beschlossen worden. Hinzu kommt, dass wir ein bestimmtes Projekt nicht mehr durchführen werden. Das betrifft das Open Air bei den Filmnächten am Elbufer, das in der Durchführung erhebliche Kosten verursacht. In der neuen Kalkulation ist das nicht mehr darstellbar. Im Allgemeinen aber gilt: Weniger spielen kann nicht die Lösung sein.
TAG24: Weil es einen Verlust an Einnahmen bedeutete?
Roth: Exakt. Wir sind bei 90 Prozent Publikumsauslastung, dazu pflegen wir ein ausgeklügeltes Abonnentensystem. Beides darf nicht gefährdet werden, auch weil uns ein jährliches Einnahmesoll von fünf Millionen Euro festgeschrieben ist. Wir müssen also auf der einen Seiten kostenbewusst wirtschaften, auf der anderen Seite zusätzliche Einnahmen erzielen.
Roth: "Dem möchte ich widersprechen"
TAG24: Wie soll das gehen?
Roth: Indem wir etwa den Saal während der Saison in Dreischichtbespielung intensiver als bisher auszunutzen, also die Anzahl der Veranstaltungen erhöhen. In der Spielzeitpause wollen wir einen ähnlichen Effekt mit einer intensiveren Sommerbespielung erzielen, also mehr Gastspiele ins Haus holen. Das ist für das heimische Publikum attraktiv und setzt auch auf den Tourismus. Wir sind da schon in Verhandlungen.
TAG24: In Berlin gibt es konzertierten Protest und Demonstrationen der Kulturszene gegen die dort geplanten Kürzungen. Warum gibt es so etwas nicht in Dresden?
Roth: Dem möchte ich widersprechen. Ich kann nicht für alle sprechen, doch für die Intendantenrunde der großen städtischen Einrichtungen, deren Sprecherin ich bin. Seit der Haushaltsentwurf öffentlich ist, sind wir mit den Fraktionen und kulturpolitischen Sprechern im Gespräch, ringen um Lösungen für jede einzelne Einrichtung und formulieren dabei auch unsere roten Linien. Das ist ein überaus qualifiziertes Vorgehen.
Roth: "Ich gebe zu, das kam für mich als Intendantin ohne Vorbereitung"
TAG24: Einer der schwierigsten Momente in den zurückliegenden Jahren dürfte für Sie und das Orchester gewesen sein, als der vormalige Chefdirigent Marek Janowski inmitten der Proben zu "Tristan und Isolde" ohne einen Grund anzugeben hinwarf und das Orchester fluchtartig verließ - rätselhafter noch, weil das Verhältnis zwischen Dirigent und Orchester bei jeder Gelegenheit als besonders innig beschrieben worden war.
Roth: Ich gebe zu, das kam für mich als Intendantin ohne Vorbereitung und war mehr als bedauerlich. Für mich als Person war es schwer zu akzeptieren, da mich mit Janowski ein besonderes Vertrauensverhältnis verband. Ich musste zur Kenntnis nehmen, dass große Künstler sehr eigen sein können. Das ändert nichts daran, dass Janowskis Verdienste um die Dresdner Philharmonie groß sind. Die Arbeit mit ihm hat sich in die DNA des Orchesters eingeschrieben.
TAG24: Ein Ziel der Ära Roth/Janowski war, die Dresdner Philharmonie international als Spitzenorchester zu positionieren. Halten Sie das Ziel angesichts der Etatkürzungen aufrecht?
Roth: Unbedingt. Das Orchester hat international mit Janowski eine Spitzenwahrnehmung genossen. Die Zusammenarbeit mit Sir Donald Runnicles, unserem designierten neuen Chefdirigenten, wird da aufsetzen. Wo immer Runnicles in Chefposition tätig war, ist er für seine künstlerische Handschrift gerühmt worden.
Roth: "Konzerte zu Weihnachten und Silvester hätten wir dreimal ausverkaufen können"
TAG24: Was sind diesbezüglich Ihre Pläne?
Roth: Es geht immer darum, dem Orchester neue Möglichkeiten zu verschaffen und neue Räume zu erschließen. Gerade verhandeln wir über einen Auftritt im Rahmen der Proms in London und einen neuen Termin für die Asien-Tournee, die mit Janowski nicht mehr möglich war. Eine der wichtigsten Aufgaben wird sein, den Menschen in Zeiten von Krieg und politischer Verunsicherung Verlässlichkeit zu bieten.
TAG24: Was kann ein Orchester da erreichen?
Roth: Wir erleben für unsere Konzerte zurzeit eine überwältigende Nachfrage und eine Art von Dankbarkeit für das, was wir tun. Das Bedürfnis, Schönes zu erleben, ist gerade besonders hoch. Unsere Konzerte zu Weihnachten und Silvester zum Beispiel hätten wir dreimal ausverkaufen können. Musik kann in Krisensituationen helfen und heilen. Wir sehen das als Auftrag.
TAG24: Frau Roth, Ihr Vertrag endet 2026. Steht eine nochmalige Verlängerung an?
Roth: Es lässt sich noch nichts Konkretes sagen. Aber wir, die Stadt und ich, sind im Gespräch.
Titelfoto: Bildmontage: Norbert Neumann, Steffen Füssel