Dresdens starke Frauen: Ida Bienert war die größte Salon-Löwin
Dresden - Barock, konservativ, altbacken? Von wegen! Das Kunstgeschehen in der Residenzstadt vor einhundert Jahren war alles andere als verschlafen. Die großen modernen Namen der Zeit gaben sich die Klinke in die Hand.
Eine der wichtigsten Türen mit dieser Klinke, um im Bild zu bleiben, befand sich in der "Villa Bienert" in Dresden-Plauen. Hier residierten Ida und Erwin Bienert (1891-1931). Der Sohn des Dresdner Mühlen-Multis Gottlieb Traugott Bienert (1813-1894) zählte damals zu den reichsten Sachsen überhaupt.
Die Frau des Hauses führte den angesagtesten Salon der Stadt. Vom Schriftsteller Alfred Günther (1885-1969) ist überliefert: "Das Zentrum der neuen Kunst und Literatur war das Haus Bienert. Frau Ida bot allen Dichtern und Künstlern vorbildliche Gastfreundschaft und wurde eine großzügige Mäzenatin für viele."
Folgt man ihm, gingen im Salon nicht nur Bauhäusler ein und aus, sondern alle angesagten Maler der Kategorie "Junge Wilde". Ebenso die Stars am Himmel des Ausdruckstanzes Mary Wigman (1886-1973) und Gret Palucca (1902-1993). Palucca wurde ihre Schwiegertochter.
Die Gäste konnten im Hause Bienert Werke all derer bewundern, die heute zum Kanon der Klassischen Moderne gehören: Klee, Kandinsky, Marc, Munch, Picasso, Lissitzky, Moholy-Nagys und Mondrian.
Ida Bienert ist zu verdanken, dass Mondrian sein einziges 3-D-Werk entwarf: die radikal farbige Ausgestaltung ihres Damenzimmers 1925, "Salon de Madame B..., à Dresden" betitelt.
Ida Bienert engagierte sich im Förderverein und war Gasthörerin an der heutigen TU Dresden
Der Umbau kam zwar nicht zustande, wurde aber 2019 Wirklichkeit - als begehbares Zimmer im Albertinum und als Computersimulation im noch existierenden Damenzimmer der Villa, in der heute Wissenschaftler residieren.
Doch "Madame B." war weitaus mehr als eine kunstaffine Frau. Den Mitarbeitern der Bienert-Mühle und den Bürgern von Dresden-Plauen spendierte sie ab1906 eine Volksbibliothek.
Sie engagierte sich im Förderverein (Patronatsverein) der Gemäldegalerie, war Mitglied im Dresdner Museumsverein, war Gasthörerin an der heutigen TU. Sie sympathisierte offen mit der Frauenbewegung. Parallel sorgte sie mit anderen Streiterinnen dafür, dass zum Beispiel angehende Bibliothekarinnen eine Berufsschule erhielten.
1924 besorgte sie die Mittel für die Avantgarde-Galerie "Neue Kunst Fides", ein Mekka für die Freunde der Gegenwartskunst dieser Zeit.
Und in schöner Regelmäßigkeit durften Künstler und Galeristen bei ihr in der Villa für längere Zeit Quartier nehmen. Ida Bienert starb in München.
Titelfoto: Bildmontage: Steffen Füssel (2)