Trans-Pionierin Lili Elbe: Die außergewöhnliche Geschichte der starken Frau
Dresden - Dresdens reiche Geschichte wäre ohne Frauen nicht denkbar. Über Jahrhunderte wirkten sie oft im Verborgenen, ganz unspektakulär. Manche aber haben sich der Öffentlichkeit eingeprägt. Sie waren Erfinderinnen, Entdeckerinnen, Künstlerinnen. Sie gingen ihren Weg, weil sie an sich glaubten oder einfach besser waren als ihre Zeitgenossen. Lili Elbe war eine von ihnen.
Der 22. April 2016 ist ein herrlicher Sonnentag in Dresden. Wer kann, schnuppert Frühlingsluft. Besonderer Trubel herrscht vor sechs Jahren auf dem sonst so stillen Trinitatisfriedhof in Tolkewitz: Filmleute aus Hollywood und England haben sich eingefunden, Offizielle der Stadt Dresden und vom Land Sachsen, darunter Gleichstellungsministerin Petra Köpping (heute 63, SPD).
Denn Geschlechtergerechtigkeit ist das Thema dieser Feier, bei der ein in den 1960ern eingeebnetes Grab neu erstrahlt. Gerechtigkeit mit Betonung auf Recht: dem Menschenrecht, sich für das Geschlecht entscheiden zu können, dem man sich zugehörig fühlt, nicht, mit dem man aufwuchs.
Das Grab und der neue Grabstein erinnern an Lili Elbe. Sie ist bis heute eine jener Menschen, die weltweit synonym für körperliche Selbstbestimmung stehen. Sie ist eine Pionierin der Transkultur.
"Sie war einer der ersten intersexuellen Menschen, die sich 1930/31 geschlechtsangleichenden Operationen unterzogen hat", erinnert Petra Köpping.
Im Film "The Danish Girl" wurde Elbes Leben verfilmt
Lili hieß einmal Einar Wegener. Geboren wird der Däne 1882 mit männlichen und weiblichen Organen. Wegener studiert Kunst in Kopenhagen und arbeitet als Maler.
Weil das Kopenhagen des Jahres 1912 noch nicht reif für einen Mann in Frauenkleidern ist, zieht er mit seiner Frau, ebenfalls Malerin, nach Paris. 1930 die Rückkehr in die Heimat. Lili verdrängt Einar mehr und mehr. Nach einer ersten OP im März 1930 in Berlin folgt der nächste Schritt im Mai in Dresden.
Ein Dresdner Arzt führt diese OP durch - und rettet Lili/Einar damit zunächst das Leben. Denn Einar hatte bereits den 1. Mai als Tag seines Selbstmordes festgelegt, weil Lili nicht vollständig Raum gegeben wird. Die OP glückte. Die nächste soll ihr gar eine Schwangerschaft ermöglichen. Doch dazu kommt es nicht mehr. Lili Elbe stirbt am 12. September 1931 in Dresden.
Seither sind auch Legenden im Umlauf. Dass sie direkt an den Folgen der Umwandlung starb, was wohl nicht stimmt. Lili soll wahlweise dem Krebs oder einer Herzerkrankung erlegen sein. Die allererste OP ihrer Art erfuhr sie auch nicht: Wenige Monate vor Lili ließ sich die Deutsche Dora Richter (1891 bis etwa 1933) eine Neovagina formen.
Wer einen Eindruck von ihrem Leben haben möchte, sollte sich den Film "The Danish Girl" aus dem Jahr 2015 anschauen. Dresden wird Lili bald mit einer Straße ehren. Diese entsteht zurzeit anstelle der ehemaligen Stephanienstraße zwischen Gerok- und Pfotenhauerstraße in der Johannstadt.
Titelfoto: Bildmontage: Eric Münch/Wikipedia/wellcomeimages.org