Ausstellung ehrt die Künstlerin Irena Rüther-Rabinowicz: Eine Jahrhundertzeugin
Dresden - Sie sei eine "Jahrhundertzeugin", heißt es im Ausstellungstitel. Irena Rüther-Rabinowicz, geboren 1900, gestorben 1979, ist die Protagonistin der ersten Sonderausstellung der Städtischen Galerie im Landhaus in diesem Jahr. Seit Samstag ist die Schau für das Publikum geöffnet.
Der Doppelname zeigt an, was sie in der Nazizeit am Leben ließ: die Ehe. Irena Rüther-Rabinowicz galt als Jüdin, war aber verheiratet mit einem "arischen" Ehemann.
Es erging ihr wie dem Romanisten Victor Klemperer (1861-1960), der mit einer nichtjüdischen Frau verheiratet war, oder der überlebenden Zeitzeugin Henny Brenner (1924-2020), Tochter einer jüdischen Mutter und eines nichtjüdischen Vaters, der die Familie schützte.
Die Nazis demütigten sie, rührten aber ihr Leben nicht an, bis zum 12. Februar 1945, als der Stellungsbefehl zur Deportation einging. Der Bombenangriff auf Dresden rettete Rüther-Rabinowicz, wie Klemperer, Brenner und vielen anderen Dresdner Juden in ähnlicher Situation, das Leben.
Noch vor Irenas Geburt waren die jüdischen Eltern zum Protestantismus übergetreten, Irena und ihre Geschwister waren getaufte Christen. Die Nazis nahmen darauf keine Rücksicht.
Irena Rüther-Rabinowicz war auch als Zirkusreiterin aktiv
Geboren in Köln, war Irena Rabinowicz über Chemnitz nach Dresden gekommen, wo sie 1919 an der Kunstakademie Malerei zu studieren begann - die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg brachte den Frauen nicht nur das Wahlrecht.
An der Kunsthochschule lernte sie Hubert Rüther kennen und lieben, einen Kommilitonen, im Mai 1921 war Hochzeit. Die 20er-Jahre wurden zur zeitgeschichtlichen Folie für ein schillerndes Leben, das die Malerin führte, künstlerisch wie gesellschaftlich erfolgreich.
Der Maler Fritz Hofmann-Juan war ihr Mentor und Förderer, man war zusammen auf Reisen. Selbst als Zirkusreiterin war Rüther-Rabinowicz aktiv. Anerkannt als Verfolgte des Naziregimes blieb sie nach dem Krieg in Dresden.
Eine Neuentdeckung ist das künstlerische Werk von Irena Rüther-Rabinowicz nicht, nicht einmal eine Wiederentdeckung - ihre Person ist bekannt, auch ihre Arbeit. Eine Reihe Bilder sind in den Sammlungen Freital ausgestellt, die mit 15 von 64 Werken Hauptleihgeberin dieser Dresdner Ausstellung ist.
Irena Rüther-Rabinowicz glänzte als Porträtmalerin
Gleichwohl ist die Ausstellung einzigartig in ihrer Anlage. Als "lange überfällige Retrospektive" bezeichnet sie Galerie-Direktor Gisbert Porstmann und als mehr als eine Kunstausstellung. "Es verzahnen sich Kunstgeschichte, Zeitgeschichte und Dresdner Kulturgeschichte", so Porstmann.
Ausgehend von der Initiative des Sammlers Matthias Müller entwarf Kurator Johannes Schmidt zusammen mit Müller die Schau und verfasste den Katalog, der mehr noch ein "biografisches Begleitbuch" sei. "Die erste wirkliche Veröffentlichung überhaupt über die Künstlerin", so Schmidt.
Ihre letzte Ausstellung in der frühen Karrierephase, bevor die Nazis Weiteres verhinderten, hatte Irena Rüther-Rabinowicz 1935 in der Galerie Kühl. Sie malte Stillleben, vor allem aber glänzte sie damals schon und auch später als Porträtmalerin. Stilistisch war sie weder Avantgardistin noch Traditionalistin, wenn auch von beidem beeinflusst.
Die Ausstellung besteht hauptsächlich aus Porträtzeichnungen und -gemälden, darunter Selbstbildnisse aus den frühen Jahren sowie eine beachtliche Galerie illustrer Dresdner Zeitgenossen, von ihrem Förderer Hofmann-Juan über den Fotografen Hugo Erfurth, die Schauspielerin Antonia Dietrich, den Maler Hans Grundig, den Schriftsteller Martin Andersen Nexö, den Physiker und Erfinder Manfred von Ardenne bis zum Sänger Theo Adam.
Geöffnet ist die Ausstellung bis 18. August. Wer sich eine zusätzliche Dimension erschließen möchte: Die Städtischen Sammlungen Freital zeigen auf Schloss Burgk noch bis 20. Mai die Schau über Rüther-Rabinowiczs Ehemann: "Auferstehung - Der Künstler Hubert Rüther."
Titelfoto: Steffen Füssel, Privatbesitz