Krabats Erben machen sogar sächsische Kühe glücklich
Wittichenau - Kuh Nummer 86 genießt den Moment: Eine rotierende Bürste massiert ihr das Fell. Zur selben Zeit schwebt ein Roboter mit frischem Stroh heran. Nebenan haben sich ihre Kolleginnen am Melkstand angestellt, wo ein Roboter die Zitzen scannt und selbst andockt. Vorn am Kopf gibt's Leckerli, unten massiert der Roboter das Euter.
Was sich nach Science-Fiction anhört, ist in der "Krabat Milchwelt" in Wittichenau (Landkreis Bautzen) Realität. Moderne Tierhaltung mit neuester Technik. Doch "Krabat Milchwelt" - ist das nicht ein bissel dick aufgetragener Marketinggag?
"Ganz und gar nicht. Wir bewirtschaften die ehemaligen Ländereien von Krabat", sagt Tobias Kockert. Der 52 Jahre alte Betriebswirt ist Chef der regionalen Firma MKH Agrar-Produkte, die sich in der Region neben der Tierhaltung und einer gefragten Käserei um Hunderte Hektar von ansässigen Landwirten kümmert.
Noch einmal Staunen: Krabat, diese düstere Lausitzer Sagengestalt, hat wirklich gelebt? "Hat er", sagt mit dröhnender Stimme Wolfgang Kraus (70). Der hochgewachsene Darsteller verkörpert nicht nur den "echten" Krabat, er hat sich auch über Jahrzehnte hinweg mit dem Original beschäftigt.
"Krabat hieß Jean de Sajatovic, zu Deutsch Johann Schadowitz. Das 'von' kam später hinzu. Krabat wiederum bedeutet 'Kroate'."
"Krabat hat den Menschen eine Identität gegeben"
"Entdeckt" worden war der Soldat von Sachsenherrscher Johann Georg III. (1647-1691), für den er ebenso ein fleißiger Diener war wie für dessen Sohn August den Starken (1670-1733).
Nach einer steilen Karriere durfte sich Krabat mit Renteneintritt etwas wünschen: Er wählte die Lausitz. "Hier lebten seine katholischen Glaubensgenossen, er verstand die Sprache", sagt Kraus unter Verweis auf die Sorben. Man schrieb das Jahr 1691.
Zwar zündeten ihm die katholischen Nachbarn zur Begrüßung erst einmal das königliche Gut an (der Dresdner Hof war da noch evangelisch). Ansonsten aber stand man am Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Kockert: "Krabat hat den Menschen eine Identität gegeben. Das war alles bettelarm und karg hier. Er führte die Mehrfruchtfolge ein, ließ Fischteiche anlegen. Er entwässerte Wiesen und sorgte für Beschäftigung. Sein segensreiches Wirken hallt bis heute nach. Wir wirtschaften in seinem Geiste."
Bücher von Krabat waren für die Einheimischen zunächst ein Teufelswerk
Ortswechsel nach Groß Särchen. Hier lebt Darsteller Kraus und hier verbrachte auch Krabat seine letzten Jahre. Angeblich, aber das ist nicht nachprüfbar, wohnt Kraus sogar auf Krabats letztem Wohnsitz, einem Vorwerk.
Hier erklärt Kraus die etwa 1701 einsetzende Legendenbildung. "Die Menschen hier konnten nicht lesen. Als nun der weltgewandte Krabat mit Büchern kam, war das für sie Teufelswerk. Den echten Schwarzen Müller in Schwarzkollm hat es nicht gegeben."
Ihn und Kockert ärgert die ausschließlich düster-magische Darstellung des Reformers. Ihr Gegenmittel: der Krabat-Radweg mit originalen Stationen und erstmals die Krabat-Woche ab dem 30. September.
Mehr Infos findet Ihr unter krabat-milchwelt.de und krabatregion.de.
Reitunterricht auch für "Greenhörner"
In Eutrich befindet sich der "Bauernhof Helm". Der Sage nach wurde Krabat im Dorf geboren, was nicht stimmt. Realistisch und gefragt sind allerdings die Angebote von Hofchefin Kornelia Helm (46): Reiten, Reitunterricht, Ausritte für "Greenhörner" auf Westernreitpferden sowie Kindergeburtstage (www.bauernhof-helm.de).
Der diplomierte Fischwirt Karsten Ringpfeil (44) bewirtschaftet im eigenen Auftrag die ehemaligen Teiche rund um Wartha. Dort betreibt er auch einen Hofladen mit Fischräucherei (www.ringpfeil.de).
Das Ganze ist keine touristische Erfindung: Der echte Krabat lieferte aus diesen Teichen an den sächsischen Königshof zu seinem zweiten Ex-Chef August dem Starken.
Begraben liegt Krabat übrigens in der Stadtkirche von Wittichenau.
Titelfoto: Eric Münch