Jüdisches Leben in Dresden: Alter Leipziger Bahnhof wird Gedenkort - Aber wie?
Dresden - Der Alte Leipziger Bahnhof in Dresden soll künftig Gedenkort sein und ein Jüdisches Bildungs-, Vermittlungs- und kulturelles Begegnungszentrum beherbergen.
Das teilte das Rathaus mit. Die sächsische Landeshauptstadt hat dazu unter www.dresden.de/juedisches-leben eine Ausschreibung zum Nutzungs- und Betreibungskonzept veröffentlicht.
Verbände, Initiativen und andere Institutionen, die interessiert sind, können ihr Angebot bis 8. April 2024, 23.59 Uhr im Amt für Kultur und Denkmalschutz per E-Mail unter kultur-denkmalschutz@dresden.de einreichen. Es gibt dafür eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 2500 Euro.
Wichtig: Die Stadt wünscht sich in dem Konzept auch einen Vorschlag, welche Initiative oder Institution aufgrund ihrer Erfahrungen und Kompetenzen das Jüdische Zentrum betreiben könnte.
Wer am Ende den Auftrag bekommt, darüber entscheidet die durch den Dresdner Stadtrat eingesetzte "Steuerungsgruppe Alter Leipziger Bahnhof". Insgesamt werden 100.000 Euro für den Erarbeitungsprozess des Konzepts für das Haushaltsjahr 2024 bereitgestellt.
"Wir begrüßen die Entscheidung, den Alten Leipziger Bahnhof als Gedenkort zu entwickeln. Er war eine Station auf dem Leidensweg vieler Jüdinnen und Juden, der in den Tod führte", sagte Domokos Szabó, Sprecher der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, auf Anfrage gegenüber TAG24.
Und weiter: "Es ist die Verantwortung der heutigen und künftigen Generationen, diesen authentischen Ort zu bewahren und die Erinnerung an die Ermordeten wachzuhalten."
Ein Archiv für jüdisches Leben in Dresden und Sachsen
"Wichtig ist uns, dass der Schwerpunkt wirklich auf dem Gedenkort liegt. Mit einem Bildungs- und Dokumentationszentrum sowie einem Archiv, in dem verschiedene Dokumente, die das jüdische Leben in Dresden und Sachsen betreffen, an einem Ort zusammengetragen werden", erklärte Szabó. Er wünscht sich, dass dort künftig auch Veranstaltungen stattfinden, die über jüdisches Leben in der Vergangenheit und der Gegenwart informieren.
"Was wir ablehnen, ist ein jüdisches Begegnungszentrum. So etwas gibt es bereits in der Stadt, beispielsweise bei uns in der Gemeinde. Wir denken, dass das neue Zentrum eher in Richtung einer Vergnügungsstätte gehen könnte, in der etwa Konzerte und Partys stattfinden", sagte Szabó.
Der Gedenkort sollte ein "Rahmen für individuelles Erinnern, aber auch ein Platz sein, an dem die Besucher über den Holocaust informiert werden".
Die Jüdische Gemeinde selbst wird sich an der Ausschreibung nicht beteiligen. Vorstellbar sei jedoch ein Verein, der jetzt entsteht und aus dem Förderkreis Alter Leipziger Bahnhof hervorgeht und in dem auch Vertreter der Jüdischen Gemeinde dabei sind. "Wir denken, es ist eine gute Idee, wenn sich so ein Verein um den Gedenkort kümmern würde", befand Domokos Szabó.
Wichtig sei, dass in diesem Zusammenhang die Anliegen der Jüdischen Gemeinde als Vertretung der Mehrheit der jüdischen Bevölkerung in Dresden und des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden im Freistaat berücksichtigt werden.
Ab 1942 Deportationen von Juden und anderen Opfergruppen
"Vor dem Hintergrund der historischen Rolle der Stadt Dresden, des Alten Leipziger Bahnhofs und der Deutschen Reichsbahn während der NS-Diktatur und dem erlittenen Leid der jüdischen Deportationsopfer ist es das erklärte Ziel der Landeshauptstadt Dresden, den Alten Leipziger Bahnhof nicht nur als lebenswertes Stadtquartier zur revitalisieren, sondern auch der historischen Verantwortung in Gegenwart und Zukunft gerecht zu werden", sagte dazu Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (46, Die Linke).
"Den Bahnhof nicht nur als Gedenkort sichtbar zu machen, sondern zur Vermittlung Jüdischen Lebens in der Gegenwart ein Begegnungszentrum zu schaffen, ist deshalb ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung des Areals", fügte die Politikerin hinzu, die auch Vorsitzende der Steuerungsgruppe ist.
Der Alte Leipziger Bahnhof war von 1942 bis 1944 Ausgangspunkt und Zwischenstation der Deportationen von Juden und später auch anderen Opfergruppen, die in die Ghettos und Vernichtungslager der Nationalsozialisten gebracht wurden.
Als Gedenkort gewinnt das Areal in der Aufarbeitung der Rolle Dresdens während der NS-Zeit eine immer größere Bedeutung.
Titelfoto: Petra Hornig