Holländer erfüllt sich in Sachsen den Traum vom Schloss
Tiefenau - Wie Don Quijote gegen Windmühlen kämpft der Holländer Henry de Jong (62) seit 18 Jahren unbeirrt für seine Vision.
Aus dem lange verfallenen Rittergut in Tiefenau (bei Riesa) möchte er ein Premium-Resort machen und dafür nicht nur die historischen Gebäude wieder herrichten, sondern auch das 1948 von den Russen gesprengte Schloss im Geiste der Dresdner Frauenkirche wieder auferstehen lassen.
Der lateinische Spruch "Vive Somnium Tuum" - "Lebe Deinen Traum" - prangt auf dem neuen Wappen des Ritterguts Tiefenau. Eine Weisheit, die Henry de Jong verinnerlicht hat. "Was ich hier mache, mache ich mit ganzem Herzblut", sagt er. Bei einem Rundgang mit dem sympathischen Holländer merkt man sofort: Er ist Feuer und Flamme für sein Herzensprojekt.
Entzündet hat sich das Feuer bei ihm schon sehr früh, genauer in den 1980er-Jahren. Damals studierte er Wirtschaftsgeschichte, war aber auch sehr an Kunstgeschichte interessiert.
"Ich war dann auf einem von der evangelischen Kirche organisierten Austausch in Berlin und wurde von einem Pfarrer nach Tiefenau eingeladen", erzählt de Jong. "Dort habe ich mich sofort in das Gelände verliebt."
Doch die Glanzzeiten des vom kursächsischen Oberhofmarschall Graf August Ferdinand von Pflugk (1662 bis 1712) errichteten Ritterguts waren da schon lange vorbei. Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die örtliche LPG das Anwesen. Die steckte nur das Nötigste in die Instandhaltung.
"Dann kam die Wende und ich dachte, jetzt könnte da was draus werden", hoffte der Unternehmer. Doch statt einer neuen Blütezeit folgten weitere Schicksalsjahre. Spekulanten kauften das Gelände und ließen es weiter verfallen.
"In Deutschland wird man zuweilen hin und her geschickt"
Viele Jahre zogen ins Land. Doch die zarte Flamme loderte noch immer in Henry de Jong. "Auf meinen kaufmännischen Reisen kam ich immer wieder auch nach Tiefenau", erzählt er. "2005 sprach ich dann mit meiner Frau noch mal darüber. Sie meinte dann zu mir: 'Entweder du machst was oder ich will nie wieder etwas davon hören!'"
Damit war die Zeit des Grübelns vorüber und ein langer, beschwerlicher Weg begann für den Unternehmer.
"Ich hatte im Laufe der Jahre mit vielen verschiedenen Behörden zu tun, die oft nicht miteinander sprechen", erklärt er. "Während man in Holland mit einer Idee hingeht und dann Unterstützung bekommt, wird man in Deutschland zuweilen hin- und hergeschickt." Ernüchternd. Zermürbend. Und schließlich wollte er sogar alles hinschmeißen.
"Es gab einen Moment, als mir gesagt wurde, dass ich das Schloss nicht in seinem historischen Aussehen wieder aufbauen darf", erinnert er sich, "da wollte ich aufgeben."
Denn gerade der Wiederaufbau des Schlosses ist eine Herzensangelegenheit für den Holländer. "Ich hatte den Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden verfolgt und wollte genau das auch für Tiefenau", beschreibt er.
Zum Glück lenkte die Denkmalpflege am Ende doch ein. Und so erwarb Henry de Jong 2017 schließlich das Rittergut. Dann ging es Schlag auf Schlag.
Nach acht Jahren Kampf war 2019 endlich auch der Bebauungsplan durch. Zuletzt umfasste der inklusive verschiedener Gutachten mehrere Tausend Seiten.
Aus dem Dornröschenschlaf erwacht
Am Anfang, wenn der Bauherr vor Ort war, wohnte er zunächst in einer kleinen Kammer im östlichen Torhaus des Anwesens. Damals eine wenig herrschaftliche Absteige. "Es gab keine Heizung, kein Wasser, kein Klo", beschreibt er.
Der Horror für seine Frau, die gelegentlich mitreiste. Doch statt zu jammern, wurde tatkräftig angepackt. "Wir haben viel selber gemacht. Auch wenn ich kein Maurer bin, kann ich mal etwas zimmern oder Wände wegreißen", erzählt de Jong.
So befreiten sie zunächst das Grundstück von riesigen Müllbergen. Insgesamt 33 Container kamen zusammen. 2018 begann dann die Sanierung des Rosengartens, die Restaurierung der Brunnen und der Pavillons. In einem, dem ehemaligen Wohnpavillon des Gutsverwalters, hat sich Henry de Jong mittlerweile häuslich eingerichtet.
Ein anderer beherbergt einen ganz besonderen Schatz, eine Grotte. Die Skulpturen darin stammen vermutlich von keinem Geringeren als Balthasar Permoser, einem der bedeutendsten Bildhauer des Barock. Er arbeitete eng mit Matthäus Daniel Pöppelmann zusammen, der maßgeblich den Zwinger verantwortete.
"Deshalb stellt der Denkmalschutz das Rittergut auch auf die gleiche Stufe mit dem Dresdner Zwinger", sagt der Gutsherr stolz.
2024 soll der Wiederaufbau des Schlosses beginnen
2020 begannen dann die eigentlichen Bauarbeiten am bestehenden Gebäudekomplex. Zuerst war das östliche Torhaus dran. Hier ist in der ehemaligen Küche inzwischen ein Café entstanden, das im Laufe des Jahres öffnen soll.
Im angrenzenden Pferdestall mit seinem eindrucksvollen Kreuzgewölbe soll künftig das Restaurant mit Brauhaus untergebracht sein. Auch am westlichen Torhaus wurde schon gebaut. Das Dach musste gesichert werden. Es drohte Einsturzgefahr.
Im alten Kuhstall soll der Empfangsbereich entstehen. Und die riesige Scheune zwischen Ost- und Westflügel hat inzwischen neue, große Fenster bekommen. Später sollen Bar, Weinkeller und Tagungsräume hier einziehen.
2024 soll dann mit dem Wiederaufbau des Schlosses begonnen werden und 2025 schließlich das Premium-Resort mit 120 Zimmern, 89 Ferienhäusern in drei Anlagen, 18-Loch-Golfplatz, Reiterhof und Orangerie fertiggestellt sein.
"Schloss Tiefenau soll etwas Einzigartiges werden. Für mich ist nicht das Geld das Wichtigste, sondern dass das hier wieder aufgebaut wird. Das ist unser Vermächtnis an die Zukunft und wir hoffen, die Leute werden stolz auf das sein, was wir hier schaffen", meint Henry de Jong demütig.
Große Investoren zeigen bereits Interesse
Doch er weiß auch: Ganz ohne Geld geht es dann doch nicht. So flossen bereits etwa sechs Millionen Euro in das Projekt. Insgesamt rechnet er mit etwa 60 Millionen. Aber die ersten großen Investoren zeigten schon Interesse. Zuletzt unterschrieb er einen Vertrag mit dem niederländischen Touristikunternehmen Landal Greenparks, das die Ferienhäuser vermarkten wird.
Ein wahnwitziges Projekt? Vielleicht. Doch für Henry de Jong vielleicht nicht das letzte. "Es gibt noch viele Schlösser, die auf einen Liebhaber warten." Ganz getreu dem Motto: "Vive Somnium Tuum". Weitere Infos: www.schloss-tiefenau.de
Titelfoto: Holm Helis, Repro Holm Helis, Animation Schloss Tiefenau