Friseurmeisterin fühlt sich im Stich gelassen: "Die Politik sorgt mit ihren Regeln für Chaos im Salon"
Dresden - Im Salon von Maria (41) und Sergio Zolotko (42) ist es am Donnerstagvormittag ruhig. Normalerweise beginnt Ende November immer das ganz große Geschäft für die Friseure, die Terminbücher sind auch im Dezember voll. Doch nach zwei Jahren Pandemie ist "keine Ordnung" mehr im Leben des Ehepaares: "Früher haben wir mit Blick in die Zukunft gearbeitet, hatten eine Perspektive. Heute wachen wir morgens auf und wissen nicht, was der Tag uns bringt."
Zehn Jahre ist es her, dass Maria Zolotko ihren ersten "Glamour Look"-Salon in der Johann-Meyer-Straße in Dresden eröffnete. Bis 2019 "haben wir uns immer weiter entwickelt, sind gewachsen. Alles lief."
Es folgten drei weitere Geschäftseröffnungen und erste Überlegungen, das Unternehmen als Friseur-Kette zu führen. Mehr Mitarbeiter wurden eingestellt. "Wir waren stolz, Arbeitsplätze zu schaffen und Auszubildende in die Lehre zu nehmen." Den Nachwuchs als Teil der Wirtschaft zu fördern, sei ihnen immer wichtig gewesen, sagen die Zolotkos.
Nun bangen sie um ihre berufliche und wirtschaftliche Existenz. Zwei Salons sind bereits geschlossen. In die zwei verbliebenen - in Mickten und Striesen - kommen zunehmend immer weniger Kunden. Entweder müssen sie selbst sparen, widersetzen sich der 2G-Regel oder lassen sich vielleicht die Haare zu Hause schneiden.
"Wir haben unseren Betrieb halbiert", sagt Sergio Zolotko. Anders würden sie es ohne die jetzt fehlenden Einnahmen nicht mehr schaffen. Besonders schlimm für das Unternehmer-Paar: Sehr gute Mitarbeiter mussten entlassen, die übrigen auf zwei Salons verteilt werden.
"Im Moment leben wir im Hier und Jetzt, Planung ist kaum möglich. Deshalb haben wir aus Kostengründen entschieden, uns in diesen Zeiten zu verkleinern. Wir haben auch gehofft, die Arbeitsplätze der Mitarbeiter, die noch für uns arbeiten, zu sichern. Aber jetzt überlegen wir, unsere Angestellten wieder in Kurzarbeit zu schicken", sagt Maria Zolotko.
Nach fast 22 Monaten mit dem Coronavirus hat die Friseurmeisterin die bittere Erfahrung gemacht, dass es auch in dieser nächsten Welle nicht mehr besser wird. "Wir sind an der Schwelle, pleite zu werden, deshalb müssen wir schnell reagieren." Selbst Überlegungen, nur noch einen Salon offenzulassen, stehen im Raum.
Das Ehepaar hat noch eine weitere Erkenntnis gemacht: Spätestens in der vierten Corona-Welle scheint die Politik die Verantwortung an Selbstständige abgegeben zu haben.
Anträge wurden komplizierter, Hilfen erst nach Monaten überwiesen
"Im vergangenen Jahr haben wir am Anfang großzügige Hilfe vom Staat bekommen. Aber jetzt haben wir das Gefühl, dass wir finanzielle Unterstützung nicht zu erwarten haben. Offenbar strebt die Politik stattdessen an, dass die Leute sich selbst regulieren", sagt Sergio Zolotko.
Ärgerlich sei zudem, dass die "Anträge für die Überbrückungshilfen mit jeder Verlängerung komplizierter und bürokratischer geworden sind. Das Geld kam erst nach Monaten", sagt Sergio Zolotko. Überhaupt koste die ganze Nachweispflicht, dass man bei den Hilfen nicht betrogen hat, viel zu viel Aufwand und Zeit.
Jetzt werden Friseursalons zwar nicht geschlossen, doch gleichzeitig sorge die Politik mit ihren aktuellen Maßnahmen dafür, dass kaum noch oder keine Kunden kommen.
"Das bedeutet, dass wir keinen Anspruch auf finanzielle Mittel vom Staat haben, weil wir doch öffnen dürfen." Doch wie sollen Friseure ohne Kundschaft arbeiten und davon sämtliche anfallenden Betriebskosten und die Gewerbesteuer an das Finanzamt bezahlen? Private Reserven anreißen? Das haben die Zolotkos schon im vergangenen Jahr getan ... "Uns wäre am liebsten, wenn wir in Quarantäne geschickt werden. Dann bekommen wir wenigstens staatliche Unterstützung."
Stattdessen entstehen neue Kosten, denn auch ihre geimpften Mitarbeiter werden regelmäßig getestet. Das soll den Kunden Sicherheit geben. Doch die bleiben zunehmend weg. Entweder aus Trotz, weil sie die Maßnahmen im Kampf gegen das Virus nicht akzeptieren wollen. Oder weil sie inzwischen selbst jeden Cent dreimal umdrehen müssen. Das hat fatale Folgen!
Inzwischen habe sich ein Schwarzmarkt auch im Friseurhandwerk entwickelt. Dass sich Kollegen in Kurzarbeit nach Feierabend illegal noch etwas dazuverdienen, kann das Ehepaar Zolotko verstehen. Doch es schädigt am Ende die Ehrlichen in der Branche.
Die aktuelle Verordnung kam viel zu kurzfristig
Auch von Handwerkskammer und Friseurinnung fühlen sie die beiden Unternehmer im Stich gelassen: "Anfangs wurden wir regelmäßig über die geltenden Regeln informiert", erzählt Sergio Zolotko weiter. Die letzte E-Mail kam im Juni. "Jetzt müssen wir uns täglich selbst darüber in den Medien informieren, ob wir am nächsten Tag noch arbeiten dürfen oder nicht. Das ist schlimm, das ist deprimierend."
Auch die jetzige Verordnung kam für das Ehepaar viel zu kurzfristig: "Von der Politik wurde ein paar Stunden vorher angekündigt, dass nun die 3G-Regel am Arbeitsplatz gilt und kontrolliert wird. Doch was genau wird kontrolliert? Welche Formulare müssen ausgefüllt werden?"
Aus Angst, irgendetwas falsch zu machen und dafür von den amtlichen Stellen belangt zu werden, achtet das Ehepaar explizit darauf, möglichst alles zu protokollieren. Eigentlich würden sie lieber an Lösungen arbeiten, um ihre Mitarbeiter weiterhin zu beschäftigen.
"Uns fehlen Ordnung, Stabilität und Zuversicht", sagt Maria Zolotko. "Die Regeln der Politik schaffen nur Chaos im Salon."
Titelfoto: Montage: Eric Münch (2)