Droht uns der Blackout? Strom-Manager im TAG24-Interview: "Unwahrscheinlich!"
Dresden - Gasmangellage, Cyberangriffe, mögliche Sabotage an Stromleitungen und Pipelines sowie Probleme bei den französischen Atomkraftwerken bringen unsere Strom- und Gasversorgung in diesem Winter an ihre Grenzen. Ein großflächiger und langandauernder Ausfall kann nicht ausgeschlossen werden - der sogenannte Blackout.
TAG24 fragt Dr. Steffen Heine (57) von der SachsenEnergie AG: Was müsste passieren, damit ein Blackout das Stromnetz bei uns lahmlegt?
Steffen Heine: Dafür müsste nicht nur eines der großen Braunkohlekraftwerke der Region in Boxberg, Schwarze Pumpe, Jänschwalde oder Lippendorf außerplanmäßig ausfallen, sondern alle gleichzeitig komplett vom Netz gehen. Das Übertragungsnetz wäre dann spannungslos. Um es wieder aufzubauen, reichen dann keine Stunden. Dann sprechen wir über Tage.
TAG24: Was müsste dann geschehen?
Steffen Heine: Einen solchen Fall zu verhindern, ist die Aufgabe der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW. Im Ernstfall müssen Pumpspeicherkraftwerke wie in Hohenwarte und Goldisthal zugeschaltet werden. Unsere Stromnetze sind alle miteinander verbunden. Wenn hierzulande ein Kraftwerk ausfällt, spürt das sogar Spanien, weil die Netzfrequenz unter 50 Hertz sinkt. Dann werden Kapazitäten wie weitere Blöcke in Kraftwerken zugeschaltet, um das Netz binnen Sekunden bis Minuten wieder auszuregeln.
130 Millionen Euro will SachenEnergie in die Netzsicherheit investieren
TAG24: Sehen Sie trotzdem die Gefahr eines Blackouts?
Steffen Heine: Aus meiner Sicht gibt es keine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für einen Blackout in diesem Winter als in all den Jahren vorher. Er ist über die Jahre sogar unwahrscheinlicher geworden. Die Netzbetreiber haben ihre Vorsorge verbessert, um die Netzstabilität zu erhöhen. Wir investieren dieses Jahr allein in Dresden und der Region 130 Millionen Euro in die Erneuerung und Erweiterung des Stromnetzes. Damit werden zum Beispiel leistungsfähigere Mittelspannungsanlagen mit größeren Kabelquerschnitten gebaut. Hochspannungsleitungen werden für stärkere Wind- und Eis-Lasten im Winter ausgelegt.
TAG24: Müssen in einer Gasmangellage Gaskraftwerke wie an der Nossener Brücke abgeschaltet werden?
Das Gasturbinenheizkraftwerk versorgt Fernwärmekunden mit Wärme und das städtische Stromnetz mit Strom. Für die Wärmeversorgung aller Kunden steht derzeit genug Gas zur Verfügung. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, das Kraftwerk auch kurzzeitig mit leichtem Heizöl zu betreiben. Mit der Produktion von Strom wird automatisch auch Wärme erzeugt - im umweltschonenden Verfahren der Kraft-Wärme-Kopplung. Weil wir das Gasturbinenheizkraftwerk Nossener Brücke sowohl für die Deckung der Wärmelast als auch für die Stützung des Stromnetzes brauchen, darf es auch im Falle einer Gasmangellage nicht abgeschaltet werden.
TAG24: Sind die Gasverbräuche eigentlich schon gesunken?
Das Verbrauchsverhalten hat sich tatsächlich geändert. Privatkunden haben zwischen Januar und September in Größenordnungen von bis zu 20 Prozent weniger Gas verbraucht, was die Bundesnetzagentur im August als Ziel ausgegeben hat. Bei Industriekunden haben einzelne schon ihren Energieträger von Gas auf Öl gewechselt.
TAG24: Und beim Strom?
Da ist Sparen deutlich schwerer. Viele haben längst die Beleuchtung gewechselt und auf effizientere LED-Lampen umgestellt. Doch der Kühlschrank muss nun mal laufen. Viele Kunden steigen auf strombetriebene Wärmepumpen um. Die Verbräuche seit Jahresbeginn bis September sind aber trotzdem im einstelligen Prozentbereich zurückgegangen.
Wenn zu viele Heizlüfter an sind
Viele Sachsen haben sich für den Winter Ölradiatoren und Elektroheizgeräte zugelegt.
Die SachsenEnergie AG hat berechnet, was passiert, wenn sich die Stromlast punktuell verdoppelt oder bis zu 80 Prozent der Haushalte gleichzeitig einen Heizlüfter anstellen.
"Zuerst einmal würde sich das im Portmonee der Stromkunden auswirken, weil trotz aller Verwerfungen am Energiemarkt Heizen mit Strom immer noch teurer ist als mit Gas", sagt Steffen Heine.
"Es könnte aber im Mittel- und Niederspannungsnetz zu lokalen Unterbrechungen kommen, wenn Hausanschlusssicherungen oder Sicherungen an Umspannstationen auslösen, die einen Straßenzug versorgen."
Dann müssten Servicemitarbeiter vor Ort fahren und neue Sicherungen einsetzen.
Titelfoto: Oliver Killig