Neue Chipfabrik in Dresden: Darum muss sich die Stadt jetzt sofort kümmern

Dresden - Chip, Chip - hurra! Der größte Chip-Hersteller der Welt TSMC wird zehn Milliarden Euro in eine neue Fabrik in Dresden investieren.

Der Chiphersteller TSMC will neben dem Halbleiterwerk von Bosch bauen. Ende 2027 ist der Produktionsbeginn in der neuen Fab geplant.
Der Chiphersteller TSMC will neben dem Halbleiterwerk von Bosch bauen. Ende 2027 ist der Produktionsbeginn in der neuen Fab geplant.  © Ove Landgraf

Diese Nachricht elektrisierte diese Woche Dresden, Sachsen, die Bundesrepublik.

"Dresden und ganz Ostdeutschland werden damit als heller Stern auf der Weltkarte der Mikroelektronik strahlen!", jubelte Wirtschafts-Staatssekretär Thomas Kralinski (50, SPD).

Ein schönes Bild. Doch bis das Licht dieses Sterns wirklich andere in den Schatten stellt, gibt es viel zu tun. Eine Analyse.

Die TSMC Factory in Nanjing, China. Die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (kurz TSMC) ist der weltweit größte Auftragshersteller von Halbleitern.
Die TSMC Factory in Nanjing, China. Die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (kurz TSMC) ist der weltweit größte Auftragshersteller von Halbleitern.  © STR / AFP

Fachkräfte

Zwei Mitarbeiter im Reinraum des Dresdner Chipherstellers Infineon.
Zwei Mitarbeiter im Reinraum des Dresdner Chipherstellers Infineon.  © Robert Michael/dpa

Der Chipkonzern aus Taiwan schafft in Dresden 2000 Arbeitsplätze.

Experten rechnen, dass pro Arbeitsplatz bis zu sechs Jobs sozusagen im Windschatten der Investition entstehen. Bei Zulieferern, Dienstleistern, aber auch im Handwerk und Handel. Woher sollen alle diese Fachkräfte kommen?

Skeptiker treibt diese Frage um! Im Fokus steht die hiesige Mikroelektronik-, Informations- und Kommunikationstechnologien-Branche. Sie zählt laut sächsischem Wirtschaftsministerium gegenwärtig rund 76.000 Beschäftigte.

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Das Branchennetzwerk Silicon Saxony geht davon aus, dass dieser Wirtschaftszweig 2030 rund 100.000 Menschen Lohn und Brot gibt.

Der künftige Fachkräftebedarf soll vor allem mithilfe des geplanten Sächsischen Ausbildungszentrums Mikrotechnologie (SAM) und qualifizierter Zuwanderung aus dem Ausland gelöst werden. Das SAM (geschätzte Kosten der Chip-Kaderschmiede: ein dreistelliger Millionen-Betrag) wird getragen von der hiesigen Chipindustrie.

Sein Schwerpunkt liegt auf der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Mikrotechnologen und Mechatronikern. Sachsen wird die Gründung finanziell unterstützen. Neben SAM-Initiator Infineon sollen weitere Unternehmen eingebunden werden.

Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (45, CDU) sieht, dass die TU Dresden und die TU Chemnitz Schlüsselrollen innehaben, wenn es um Nachwuchs für die Halbleiterindustrie geht.

Gemkow reist im September nach Taiwan. Dort will der Freistaat ein Wissenschaftskoordinationsbüro etablieren.

Frank Bösenberg ist Geschäftsführer des Hightechnetzwerks Silicon Saxony.
Frank Bösenberg ist Geschäftsführer des Hightechnetzwerks Silicon Saxony.  © PR

Finanzierung

Joachim Ragnitz vom ifo Institut in Dresden.
Joachim Ragnitz vom ifo Institut in Dresden.  © Thomas Türpe

Das Konsortium von TSMC, Bosch, Infineon und NXP rechnet mit Kosten in Höhe von geschätzten zehn Milliarden Euro für die Errichtung der modernen 300-Millimeter-Fabrik zur Halbleiterfertigung in Dresden.

Der Bund hat zugesichert, diese Investition mit bis zu fünf Milliarden Euro zu fördern. Nicht nur Ökonomen sehen diese geplante Subvention kritisch.

"Die Großunternehmen spielen die Steuerzahler unterschiedlicher Länder gegeneinander aus", meint der Leipziger Wirtschaftswissenschaftler Gunther Schnabl. Er erinnert daran: Subventionen müssten auch finanziert werden - etwa durch höhere Steuern.

"Höhere Steuern sind ein Standortnachteil. Man verteilt dann nur um, von klein- und mittelständischen Unternehmen hin zu Großunternehmen. Es wäre besser, sich nicht an diesem Subventionswettlauf zu beteiligen, sondern auf gute Standortbedingungen zu setzen. Dann würde die breite Masse der Unternehmen profitieren, statt einige wenige", so der Professor der Uni Leipzig.

Joachim Ragnitz vom Dresdner Ifo-Institut hält die starke Subventionierung für ein Ärgernis. Die EU habe sich mit ihrer Entscheidung, ihren Weltmarktanteil an Chips zu verdoppeln, mehr oder minder erpressbar gemacht.

"Wir befinden uns in einem richtigen Subventionswettlauf. Gewinner sind nur die Halbleiterhersteller, Verlierer die Steuerzahler in den jeweiligen Ländern."

Infrastruktur

In Höhe der Saloppe wird tief gegraben, um Brauchwasser für die Chip-Industrie im Norden zu gewinnen.
In Höhe der Saloppe wird tief gegraben, um Brauchwasser für die Chip-Industrie im Norden zu gewinnen.  © Thomas Türpe

Chipfabriken sind Großverbraucher von Strom, Wärme, Wasser und Kälte. Allein die Dresdner Chipfabrik von Bosch benötigt zum Beispiel so viel Strom wie eine ganze Kleinstadt mit rund 30.000 Einwohnern.

Kann Dresden den Hunger und Durst der neuen TSMC-Fabrik zuverlässig stillen?

Ohne den Ausbau und die Ertüchtigung der Infrastruktur wäre das nicht zu schaffen. Doch diese Maßnahmen sind bereits geplant und angekündigt. So kündigte Ostdeutschlands größter Kommunalversorger SachsenEnergie bereits ein "Feuerwerk" an Investitionen an.

Die Stadtentwässerung Dresden hat sich auf den Ausbau der Chipindustrie eingestellt. Zur Absicherung der Abwasserableitung wird ein zehn Kilometer langer Hauptkanal gebaut. Er leitet das Abwasser des Gewerbegebietes im Dresdner Norden direkt zur Kläranlage Kaditz. Baustart war am 20. Juli 2023. Die Fertigstellung ist für 2027 geplant - rechtzeitig zum Produktionsstart von TSMC. Zudem soll die Kläranlage deutlich erweitert und ihre Reinigungsstufen angepasst werden.

Im Herbst bekommt der Stadtrat das entsprechende Abwasserbeseitigungskonzept zum Beschluss vorgelegt.

Der Sprecher der Stadtentwässerung erklärt dazu: "Für den Gebührenzahler hat die positive Entwicklung des Dresdner Nordens keine negativen Auswirkungen. Im Gegenteil, die steigenden Abwassermengen aus der Chipindustrie wirken sich gebührenstabilisierend aus."

Umland einbinden

Auf der Suche nach Bauplätzen für ihr Eigenheim könnten die Angestellten der Halbleiterindustrie in den Umland-Gemeinden im Dresdner Norden noch fündig werden.
Auf der Suche nach Bauplätzen für ihr Eigenheim könnten die Angestellten der Halbleiterindustrie in den Umland-Gemeinden im Dresdner Norden noch fündig werden.  © dpa/Jan Woitas

Dresden allein ist der dynamischen Entwicklung der Halbleiterproduktion am nördlichen Stadtrand nicht gewachsen.

Die Menschen, die dort (zukünftig) arbeiten, wünschen sich attraktiven Wohnraum (oder Bauplätze), Nahverkehr, Handel und Erholungsorte. Für ihre Familienangehörigen suchen sie attraktive Jobs, Kita-Plätze, Schulen, Freizeitangebote und ein lebenswertes Umfeld.

Woher nehmen? Die im Norden angrenzenden Landkreise Meißen und Bautzen könnten viel davon bieten. Bis jetzt bezieht man sie und die Umland-Gemeinden Ottendorf-Okrilla, Radeburg, Moritzburg, Königsbrück und Thiendorf allerdings nur sporadisch in die Entwicklung des Lebens-, Wirtschafts- und Verkehrsraumes ein.

"Wir freuen uns über die positive Entwicklung in Dresden und würden gerne Flächen für neue Wohnbebauung oder Gewerbe bereitstellen", sagt Rico Pfeiffer. Er ist Bürgermeister von Ottendorf-Okrilla (10.000 Einwohner/Landkreis Bautzen). Pfeiffer wirbt konkret dafür, das aufgegebene Betonwerk in seiner Ortsmitte zu einem großen Schulstandort mit gymnasialem Angebot zu entwickeln und die Nahverkehrsanbindung nach Dresden zu verbessern.

"Wir sind zu Gesprächen bereit. Die Wirtschaft drückt aufs Tempo. Die Verwaltungen müssen jetzt auch schnellstmöglich handeln und Lösungen suchen", sagt Rico Pfeiffer.

Titelfoto: Montage: Ove Landgraf, Robert Michael/dpa, STR / AFP

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