Legendäre Deutsche Werkstätten geben Oberschülern Tischler-Nachhilfe

Dresden - Viele Handwerksbetriebe plagen Nachwuchssorgen. Mit jährlich 120 Bewerbungen auf die sechs bis sieben Ausbildungsplätze zum Tischler gehören die Deutschen Werkstätten Hellerau nicht dazu. Damit das auch in Zukunft so bleibt, startet das Traditionsunternehmen nun ein Projekt, um Oberschüler auf sich aufmerksam zu machen.

Betriebsleiter Michael Dupke (46).
Betriebsleiter Michael Dupke (46).  © Petra Hornig

Los geht's nach den Herbstferien. Dann kommen Siebt- bis Neuntklässler aus drei umliegenden Oberschulen immer einen Nachmittag pro Woche für anderthalb Stunden in den Hellerauer Firmensitz. Dort werden sie im Verlauf des Schuljahres in den Grundlagen des Tischlerhandwerks unterrichtet.

Das Besondere: Die Betreuung übernehmen Lehrlinge des zweiten und dritten Lehrjahrs, die mit den Schülern alles in Eigenregie organisieren. Die Deutschen Werkstätten wollen damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wie Betriebsleiter Michael Dupke (46) erklärt.

Das erste Ziel sei es, mehr Oberschüler als Azubis zu gewinnen. Derzeit haben zwei Drittel der Bewerber Abitur, von denen ein Teil danach studieren will. "Das finden wir zwar gut, aber wir wollen auch Mitarbeiter finden, die ihren Handwerksberuf ein Leben lang ausüben wollen", sagt Dupke.

Philip Morris will Dresdner Zigarettenfabrik dichtmachen: So viele Mitarbeiter sind betroffen
Dresden Wirtschaft Philip Morris will Dresdner Zigarettenfabrik dichtmachen: So viele Mitarbeiter sind betroffen

Durch die Übertragung der Betreuung auf die Azubis soll gleichzeitig deren soziale Kompetenz trainiert werden. Als international agierendes Unternehmen reiche fachliche Kompetenz alleine nämlich nicht mehr aus.

Azubis von neuem Projekt überzeugt

Die Azubis Elias Meinert (19) und Anna Weber (21) hören ihrem Lehrmeister aufmerksam zu.
Die Azubis Elias Meinert (19) und Anna Weber (21) hören ihrem Lehrmeister aufmerksam zu.  © Petra Hornig
Die Azubis Anne Kühne (31, M.) und Lukas Schmitz (24, r.) zeigen Oberschülerin Philine (12) einige Musterstücke.
Die Azubis Anne Kühne (31, M.) und Lukas Schmitz (24, r.) zeigen Oberschülerin Philine (12) einige Musterstücke.  © Petra Hornig

"Wir haben uns zu einem Hochtechnologie-Unternehmen entwickelt, das sehr komplexe und anspruchsvolle Projekte bearbeitet. Dafür benötigen wir Mitarbeiter, die sehr eigenverantwortlich agieren, kommunikationsstark und lösungsorientiert sind", erklärt der Geschäftsführende Gesellschafter Fritz Straub (78).

"Ich finde das Projekt super", sagt Azubi Lukas Schmitz (24). "Wir können den Schülern zeigen, dass es noch einen anderen Weg als ein Studium gibt."

Deren Interesse ist größer als erwartet. Deshalb wird es nicht wie ursprünglich geplant nur eine, sondern gleich zwei Gruppen geben.

Mehr als 30.000 Jobs: Was der Chip-Effekt für Dresden bedeutet
Dresden Wirtschaft Mehr als 30.000 Jobs: Was der Chip-Effekt für Dresden bedeutet

"Trotzdem werden wir wohl das Problem haben, dass wir nicht allen zusagen können", so Dupke.

Das sind die Deutschen Werkstätten in Dresden-Hellerau

Seit 2006 wird in dem Neubau gegenüber des alten Gebäudekomplexes produziert.
Seit 2006 wird in dem Neubau gegenüber des alten Gebäudekomplexes produziert.  © Petra Hornig

Die Deutschen Werkstätten Hellerau haben eine lange und bewegte Geschichte. Gegründet 1898 von Karl Schmidt (1873-1948) produzierte das Unternehmen zunächst Möbel nach Entwürfen namhafter Künstler.

Zur Motivation wurden die Mitarbeiter in der Nähe des Werks unter besseren Wohnbedingungen als üblich angesiedelt. Dafür wurde in Hellerau die erste deutsche Gartenstadt gegründet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen verstaatlicht und zum Volkseigenen Betrieb. Durch die Treuhand wurde es nach der Wende reprivatisiert.

Aus dem reinen Handwerksbetrieb mit anfangs 80 Mitarbeitern ist seitdem ein international tätiges Unternehmen mit rund 400 Mitarbeitern geworden, das sich auf den hochwertigen, individuellen Innenausbau von Megayachten, Villen, Penthäusern und Vorstandsetagen spezialisiert hat.

Titelfoto: Montage: Petra Hornig (2)

Mehr zum Thema Dresden Wirtschaft: