Große Werkschau von Kunststar Wolfgang Tillmans in Dresden
Dresden - Der seit Jahrzehnten international gefeierte Fotograf Wolfgang Tillmans (56) zählt zu den einflussreichsten lebenden Künstlern der Gegenwart. Einen umfassenden Einblick in sein vielfältiges Schaffen gibt er im Albertinum mit der Ausstellung "Wolfgang Tillmans. Weltraum". Es ist seine erste große Schau in einem deutschen Museum seit zwölf Jahren - und in ihrer ganzen Breite nicht sofort zu erfassen.

Die "Zeit" nannte den 1968 in Remscheid geborenen, Anfang der 90er-Jahre mit Fotografien aus der Berliner Nacht-, Club- und Underground-Szene zu weltweitem Ruhm gekommenen Tillmans - der etwa im Jahre 2000 als erster Nicht-Brite mit dem renommierten Turner-Prize ausgezeichnet wurde - den "einfallsreichsten Bilderfinder der Gegenwart". Denn sein Gesamtwerk umfasst ja sehr viel mehr.
"Wolfgang Tillmans hat uns ein großes Geschenk gemacht", sagt die Direktorin des Albertinums, Hilke Wagner. Der Künstler habe über seine Faszination für die Astronomie das Sehen "gelernt" und immer wieder die "Grenzen des Sichtbaren und des Zeigbaren" ausgelotet.
Die Schau heiße nicht ohne Grund "Weltraum": In seinem Blick auf die Welt ergäben sich Erzählungen von gesellschaftlichem Wandel und menschlichem Zusammenhalt, ein Netz aus Großem und Kleinem. Zu sehen sind mehr als 250 Werke, darunter seit 2022 entstandene Arbeiten, die noch nie institutionell gezeigt wurden.
Ausstellungs-Kurator Dennis Brzek sagt: "Das Schauen ist der Kern von Tillmans' Arbeit." Es gehe um Fragen wie "Wie gucken wir?", "Was sehen wir?", "Wie funktioniert Fotografie?" Tillmans appelliere so an einen geschärften Sinnesapparat.
Zudem lebten seine Ausstellungen durch die von ihm selbst geschaffenen, assoziativen Hängungen, die stets in Dialog mit dem Ausstellungsort träten.
Tillmans spricht gerne über Technik und Material

"So ist auch unsere Schau ein Unikat", sagt Brzek, für den es spannend war, wie Tillmans nach großen Retrospektiven in den USA und Kanada nun wieder völlig neu auf sein Werk blicken würde. Man zeige einen Querschnitt daraus, aber nicht allumfassend.
Es gäbe zwar Werke aus den 90ern sowie neue, 2025 mit dem Kopierer entstandene Arbeiten. Der Schwerpunkt aber liege auf den vergangenen 20 Jahren. Die komplette Ausstellung - nebst Seitenraum für ein Musik-Video - sei ein Gesamtkunstwerk.
Tillmans selbst spricht gerne über Technik und Material. Über Fotopapier ("Damit arbeite ich seit '88 und es ist mir bis heute damit nicht langweilig geworden.") oder Tintenstrahldrucker ("Die Tinte soll herauskommen, damit sich die Drucke dreidimensional von der Wand wölben."). Eine "Performance" nennt er die Dresdner Ausstellung, die alles vereine.
Mal korrespondierend, mal unverbunden steht vieles nebeneinander: Porträts von anonymen Passanten sowie Filmstars wie Jodie Foster, überdimensionale Farbverläufe, Landschaftsbilder, Weltraum-Impressionen, Stillleben mit Früchten, Nachtpanoramen von Großstädten, Details aus dem Kernforschungszentrum CERN und Server-Farmen im Silicon Valley, großformatiges Sendeschluss-Rauschen auf Fernsehern.
Daneben immer auch Clubculture und sich küssende Männer.
Zur Ausstellung hat Tillmans ein Künstlerbuch gestaltet
Positionierungen gegen den Rechtsruck, doch will Tillmans sein Werk nicht politisch vereinnahmt wissen: "Ich äußere mich künstlerisch." Kunst sei für ihn ein Kommunikationsmittel und die "Kunstlosigkeit" von Kunst - der man also ihre Gemachtheit nicht ansehen würde - wäre von großer Kraft.
Wichtig seien ihm stets - gerade auch als offen schwuler Mann - Gleichberechtigung und Freiheit, von der er wisse, das viele Kräfte dies auch vor jedem Rechtsruck beseitigen wollten. Das möge immer auch einfließen, aber: "Meine Werke sollen nicht auf politische Aussagen eingeschränkt werden."
Zur Ausstellung hat Tillmans ein Künstlerbuch gestaltet: In "Things matter. Dinge zählen" vereint er den von ihm in den 90ern gekauften DDR-Bestandskatalog der Gemäldegalerie Neue Meister aus dem Jahr 1987 (laut Hilke Wagner wurde der damals "auf dem Grabbeltisch verramscht") mit dem ebenfalls vergriffenen Katalog für seine eigene Ausstellung in der Tate Britain 2003. Schwergewichtig, aber für schmale 8 Euro zu haben.
Die Schau läuft bis 29. Juni.
Titelfoto: Steffen Füssel