Dresden - Herzhaft lachen mag keine der Figuren auf dem Gemälde, aber "Lebensfreude" scheint dennoch durch. Vor etwas mehr als einem Jahr begann im Hygiene-Museum die Freilegung des gleichnamigen Gerhard-Richter-Wandbildes von 1956, dem Diplom-Bildnis des in Dresden geborenen Malers, das so viele Jahre übertüncht war. Am Montag wurde die abgeschlossene Arbeit der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Geschichte ist weitgehend bekannt: Richter, damals 24 Jahre alt, schloss mit dem 63 Quadratmeter großen Wandbild sein Studium an der Dresdner Kunsthochschule ab. 1961 verließ er Dresden und die DDR gen Westen. Fortan war er, der "Republikflüchtige", den Offiziellen im Staate eine Unperson.
Was 1979 dazu führte, dass man sein Wandbild übermalen ließ, so man ihm keine "künstlerische Bedeutung" zumaß. 1994 gab es eine erste Initiative, das Bild freizulegen, was der Künstler ablehnte. Nun war er gnädiger mit den Umständen und auch mit dem jungen Maler, der er einst war, und gab seine Zustimmung.
Doch findet sich nicht das ganze Wandbild befreit, stattdessen ein Teilstück - nämlich der Mittelteil, weil er am meisten "Erzählpotenzial" habe, so Museums-Direktorin Iris Edenheiser: Es sei ein "Akt des Freilegens auch von Geschichte" und überdies die "wichtigste künstlerische Einschreibung an diesem Ort".
Richter, damals ein Niemand in der Weltkunst, ist heute und lange schon deren begehrtester Jemand.
Das Wandbild ist nicht allein das Wandbild, es ist auch seine - künstlerische wie politische - Geschichte. Gerade dies soll ablesbar sein am Freilegungsprojekt, weshalb eben nicht das gesamte Gemälde befreit wurde, sondern nur ein Teil. Das Offene und das weiterhin Verdeckte bilden einen Gesamtzusammenhang.
Gesamtkosten des Projekts belaufen sich auf 220.000 Euro
Das Bild zeigt glückliche Menschen an einem abstrakten Strand, im Hintergrund von einem Boot befahrenes Meer. Sie tanzen Ringelreihen, kleiden sich an und hantieren mit Badetüchern.
Ein Stück sozialistischer Realismus, beeinflusst von Henri Matisse, stellt Iris Edenheiser fest.
Richter verwendete dafür kurze vertikale Pinselstriche, wie es typisch gewesen sei in der Klasse seines Professors Heinz Lohmar, erläutert Dietmar Elger, Leiter des Gerhard-Richter-Archivs der Staatlichen Kunstsammlungen.
Wie der nun 93-jährige Richter heute auf diese Arbeit blicke, zu der er sich jahrzehntelang nicht bekennen wollte, fragen wir. Richter sei freizügiger und altersmilde geworden, so Elger, er fände sein Jugendwerk nunmehr "interessant". An die Maltechnik indes - die kurzen vertikalen Striche - erinnere er sich nicht mehr.
Zehn Farbschichten diverser Übermalungen haben abgetragen werden müssen, sagt Albrecht Körber, der gemeinsam mit seiner Kollegin Susann Förster ausführender Restaurator war. Dies auf mechanische Weise zu lösen, habe man anfangs versucht, doch mit wenig Erfolg. Körber: "Am Ende ging es nur mit Chemie." Und es sind Spuren von Beschädigung auf dem freigelegten Teilstück verblieben. Um der ganzen Geschichte und des Prozesses der Freilegung willen, hat man sie nicht "wegrestauriert".
Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich auf 220.000 Euro, finanziert von der Wüstenrot Stiftung und der Ernst von Siemens Kunststiftung. Das Wandbild befindet sich im Treppenhausbereich, außerhalb der Ausstellungssäle, weshalb Richters "Lebensfreude" von jedermann bestaunt werden kann, ohne dafür Eintritt zahlen zu müssen. Dresden ist um eine Kunstattraktion reicher.