Einbruch in Grünes Gewölbe: Hatten die Diebe einen Komplizen im Schloss?
Dresden - Der Jahrhundertraub im Grünen Gewölbe war kein spontaner Bruch, sondern von langer Hand geplant. Dafür sprechen das Fluchtfahrzeug, der Zeitpunkt und der Brand des Verteilerkastens. Gab es etwa einen Komplizen im Schloss?
Früh um fünf wird es in der Regel geschäftig im Dresdner Residenzschloss: Genau zu diesem Zeitpunkt ist bei den Wachleuten nach TAG24-Informationen Schichtwechsel.
Ein kurzer Moment, wo die Sicherheitsmänner abgelenkt sein könnten. "Ob die Täter über Insiderwissen aus der Sicherheitsfirma verfügten, ist derzeit rein spekulativ", so Polizeisprecher Marko Laske (45).
Das Unternehmen wollte sich auf Anfrage nicht zum Juwelenraub äußern.
Für die Direktorin der "Staatlichen Kunstsammlungen Dresden" Marion Ackermann (54) wäre ein Komplize aus dem eigenen Haus ein Albtraum: "Das wäre eine schreckliche Vorstellung", sagt sie. "Aber das diese Kenntnis da war, ist offensichtlich." Auch Sicherheitschef Michael John (58) befürchtet Schlimmstes: "Die Frage nach Insiderkenntnis ist absolut korrekt."
Einbrecher müssen umfangreiche Recherchen angestellt haben
Dass die Einbrecher umfassende Recherchen anstellten, bestätigt auch die Polizei: "Wir rechnen den Brand des Verteilerkastens an der Augustusbrücke den Tätern zu", so Laske.
"Dass man damit die Straßenbeleuchtung im Tatortbereich ausschaltet, muss man wissen."
Auch, dass ohne die Straßenbeleuchtung, die Überwachungskamera im Inneren des Grünen Gewölbe keine brauchbaren Bilder mehr liefert, war zuvor keinesfalls öffentlich bekannt.
Ersten Erkenntnissen zufolge sind die Einbrecher auch von den Außenkameras nur auf die Entfernung zu sehen, man erkennt nur zwei verschwommene Gestalten.
Der ausgebrannte Audi A6 zeugt ebenfalls von umfangreicher Planung: 2017 wurde dieser in Westdeutschland abgemeldet, der letzte bekannte Besitzer wurde überprüft, ist unverdächtig. Spuren aus dem Schloss, jedoch keine Juwelen, belegen den Zusammenhang.
Es war bis Dienstag die letzte Spur der mittlerweile weltweiten Fahndung: Die Täter bemühten sich keine Hinweise zurückzulassen, versprühten in Sachsens Schatzkammer den Feuerlöscher, um DNA-Spuren zu zerstören. Der dadurch entstandene Schaden ist noch nicht beziffert.
Sicherheitslücken: Vieles noch immer rätselhaft
Auch wenn die Kunstdiebe wichtige Teile zurückgelassen haben: Konkrete Fragen nach möglichen Sicherheitslücken blieben auch am gestrigen Dienstag unbeantwortet.
Tatsächlich werden nach und nach Dinge bekannt, die an zeitgemäßer Sicherheit zweifeln lassen: Drei Außenkameras scannen die Schlossfassade an dieser Seite des Gebäudes - zwei im dritten Obergeschoss vom Schloss selbst, eine gegenüber auf der Semper-Galerie - offenbar nutzlos. Die Kamera im Juwelenzimmer nahm unbrauchbare Schwarz-Weiß-Bilder auf.
Vorher zerstörten die Diebe ein eisernes Außengitter und stemmten das Erdgeschossfenster zur Schatzkammer einfach auf: Weder diese Schritte noch die Axthiebe auf die Vitrine lösten Direkt-Alarm bei der Polizei aus.
Zwar gibt es in der Sicherheitszentrale einen Knopf dafür, der Diensthabende entschied sich aber, per gewöhnlichen 110-Notruf die Polizei zu alarmieren - "um einen Rückruf zu vermeiden", wie es von der Leitung des Museums hieß.
Nicht einmal das Spezialglas der Vitrine hielt, räumt Sicherheitschef Michal John ein. "Genau das wollten wir in Dresden nie erleben." Gespart worden sei aber nicht. Pro Jahr geben die Kunstsammlungen acht Millionen für die Sicherheit aus, Tendenz steigend.
Und letztlich hatten die Wachleute zwar doch Waffen. Allerdings nur Schlagstöcke, wie Museums Direktor Dirk Syndram in der Sächsischen Zeitung sagt.
Benutzt aber wurden aber auch diese nicht: Weil die Täter so brachial vorgingen, postierte sich der zweite Wachhabende am Dienstausgang, um das Eintreffen der Polizeikräfte abzuwarten.