Der Earl of Findlater und das Helfenberger Schloss: Fluchtburg für den vertriebenen Lord

Dresden - Das Dresdner Residenzschloss oder die Elbschlösser Albrechtsberg, Lingnerschloss und Schloss Eckberg kennt wohl jeder. Doch wusstet Ihr, dass in und um Dresden weit über hundert weitere Herrscherhäuser stehen, umrankt von zahllosen Geschichten und Legenden? TAG24 hat sich für eine neue Serie auf die Spur dieser weitgehend geheimnisvollen und fast vergessenen Seite von Dresden gemacht. Schlösser, Burgen, Rittergüter - lasst Euch überraschen.

Verwunschen liegt das Schloss im Helfenberger Grund.
Verwunschen liegt das Schloss im Helfenberger Grund.  © Holm Helis

Verwunschen liegt das Helfenberger Schloss im Grund. Die hohen Bäume des Parks schützen den mittlerweile restaurierten Adelssitz vor zu viel Einblick.

Berühmte Baumeister und Bewohner sind mit dem Schloss verbunden. 2006 kaufte die Familie Seidel das Anwesen und restauriert es seither liebevoll.

"Man muss die Raumgeometrie verinnerlichen, sich in die Gebäude einfühlen", sagt der Architekt Burkhard Seidel. Das Vorwerk Helfenberg mit Ritterburg wurde seit dem 14. Jahrhundert gebaut und immer wieder verändert.

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Die Baugeschichte ist vielschichtig. "Es ist wie ein Puzzle." Das Schloss, in dem Seidel mit seiner Familie lebt, ist bis auf zwei Räume fast fertig.

In seiner heutigen Form stammt das Gebäude aus dem Jahre 1775. In den Bau von Johann Gottfried Kuntsch (1735 bis 95) wurde Baumaterial aus der alten Helfenburger Burgruine (von 1350) verbaut.

Gottlob Friedrich Thormeyer (1775 bis 1842) erweiterte das Gebäude 1825 im Stile des Klassizismus.

Besonderheit: "Apollo und die neun Musen"

"Apollo und die neun Musen" an der Giebelseite des Schlosses.
"Apollo und die neun Musen" an der Giebelseite des Schlosses.  © Holm Helis

Eine Besonderheit ist der restaurierte Fries "Apollo und die neun Musen" an der Giebelseite des Schlosses. Das Relief wurde 1788 von Hofbildhauer Franz Pettrich (1770 bis 1844) angefertigt und ziert seit 1825 die Wand über der Treppe, die in den Park führt.

Zuvor hatte es Camilo Graf Marcolinis (1739. bis 1814) Wohnhaus an der Wilsdruffer Gasse geschmückt.

Der Park - angelegt als Landschaftspark in englischem Stil - wurde einst von James Ogilvy, 7. Earl of Findlater (1750 bis 1811) in Auftrag gegeben, der aufgrund seiner Homosexualität seine schottische Heimat hatte verlassen müssen und das Gut erwarb, um mit seinem Lebensgefährten hier zu wohnen.

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Der schottische Lord erlangte Berühmtheit, weil er damals auch die Weinberge an der Elbe – von der Saloppe bis zum Mordgrund - gekauft hatte und den Vorgängerbau von Schloss Albrechtsberg bauen ließ.

Übrigens: Der Lord und sein Liebster blieben auch nach dem Tod vereint. Ihr gemeinsames Grab liegt bis heute an der Loschwitzer Kirche.

Jahrzehntelang im Besitz der Wettiner

James Ogilvy, 7. Earl of Findlater (1750-1811), ließ den Park anlegen.
James Ogilvy, 7. Earl of Findlater (1750-1811), ließ den Park anlegen.  © Holm Helis

Auch Königs mischten in Helfenberg mit: 80 Jahre lang gehörte das Schloss den Wettinern. 1838 hatte es Friedrich August II. (1759 bis 1838) kurz vor seinem Tod erworben.

Da den Mitgliedern der sächsischen Herrscherfamilie die Einsamkeit offenbar nicht zusagte, wurde es verpachtet.

Der letzte wettinische Besitzer war Ernst Heinrich von Sachsen (1896 bis 1971), ein Sohn des letzten Königs. Nach 1945 wurde das Gut enteignet, diente als Schule, Sitz der LPG und Werkstatt. Danach stand es jahrelang leer und verfiel.

Jeder bauliche Eingriff bedarf einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung. Sogar das Verschneiden der Kastanien auf seinem Grundstück musste genehmigt werden, erzählt Seidel.

Auch liegen laufend Reparaturarbeiten an, wie beispielsweise am Dach des vor fünf Jahren sanierten Braumeisterhauses, das sich zwischen noch verfallenen Gebäuden deutlich abhebt.

In der Schlossbrauerei wurde übrigens noch bis 1960 Bier gebraut.

Landeshauptstadt hat keine Mittel für den Park eingeplant

Der Park, der zum größten Teil der Stadt, gehört, wirkt verwaist.
Der Park, der zum größten Teil der Stadt, gehört, wirkt verwaist.  © Holm Helis
Das Grab des Earls und seines Liebsten.
Das Grab des Earls und seines Liebsten.  © Norbert Neumann
Das Grab befindet sich an der Loschwitzer Kirche.
Das Grab befindet sich an der Loschwitzer Kirche.  © Norbert Neumann
Wenn schon kein Schild den Weg zum Park weist: Einfach die Adresse im Navi Eures Mobiltelefons eingeben.
Wenn schon kein Schild den Weg zum Park weist: Einfach die Adresse im Navi Eures Mobiltelefons eingeben.  © Holm Helis

Der Park, der zum Großteil der Stadt Dresden gehört, wirkt verwaist. Eine der zwei mächtigen Hängebuchen entwurzelte nach einem Sturm 2015. Keine Tafel mit Informationen zu dem historischen Park, kein Hinweis auf Lord Findlater, keine Bezeichnungen an den zum Teil seltenen Gehölzen findet der Besucher.

Daran wird sich sobald nichts ändern: "Im laufenden Doppelhaushalt der Landeshauptstadt Dresden sind keine Mittel für Investitionen im Helfenberger Park eingeplant", teilt die Stadt mit.

Titelfoto: Montage: Holm Helis (2), Norbert Neumann

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