Brigadegeneral erklärt, warum die Bundeswehr für die Corona-Bekämpfung gewappnet ist
Frankenberg - Was nützt die beste Armee, wenn der Feind unsichtbar ist? Wenn er Schusswaffen weder fürchtet noch kennt? Nun, mitunter eine ganze Menge! Anders als ihre Amtskollegen aus China, Frankreich oder den USA haben deutsche Politiker dem Coronavirus zwar nicht lauthals den "Krieg" erklärt. Gleichwohl hilft die Bundeswehr tatkräftig mit, die Pandemie hierzulande in Schach zu halten.
Auch in Sachsen üben Uniformierte den Schulterschluss mit zivilen Behörden. Dazu gilt es, die eigenen Tagesabläufe in den Kasernen "seuchenfest" zu machen. Und das, jawoll, auch mit Homeoffice.
Ortstermin in der Wettiner Kaserne in Frankenberg, Sachsens größtem Bundeswehrstandort. Seit der Kaiserzeit im frühen 20. Jahrhundert dienen Soldaten hier in wechselnden Armeen.
Für etwa 900 ist die Kaserne offizieller Arbeitsplatz. Bloß: Von Gewusel keine Spur. Nur vereinzelt oder in Grüppchen stiefeln Kameraden von Baracke zu Baracke. Der Appellplatz wirkt verwaist. Auch die Flure im Stabsgebäude der Panzergrenadierbrigade 37 sind etwas leerer, das Personal scheint ausgedünnt.
"Wir haben früh vorbeugende Maßnahmen ergriffen", erklärt Brigadegeneral Gunnar Brügner (52) aufgeräumt beim Kaffee. Brügner ist Kommandeur über insgesamt rund 5700 Soldaten, verteilt auf mehrere Standorte und Bundesländer.
Das Coronavirus kennt er nicht nur vom Hörensagen. "Wir hatten mehrere Krankheitsfälle im Stab", berichtet der General. "Zum Glück nur milde Verläufe, alle sind wieder gesund. Weil wir so schnell und sehr konsequent reagiert haben, haben wir das in den Griff bekommen", atmet Brügner auf.
Amtshilfe für Bund und Länder
Von den 15.000 Soldaten, die bundesweit zur Corona-Bekämpfung auf Abruf bereitstehen, hört jeder Zehnte auf das Kommando des Afghanistan-Veteranen. Ein kleiner Wandteppich überm Schreibtisch erinnert an den Einsatz am Hindukusch, der so ganz anders war als das, was Brügner jetzt (auch) beschäftigt.
Binnen maximal 72 Stunden könnten Kameraden seiner Brigade zur Verfügung stehen, um Behörden von Bund und Ländern Amtshilfe zu leisten. Einige tun dies schon jetzt.
Zum Beispiel in einem Pflegeheim in Radeberg. Nachdem es dort eine Reihe von Todesfällen durch das Coronavirus gegeben hatte, baten die Behörden um "helfende Hände".
Seit Wochen - und noch mindestens bis 17. Mai - helfen Soldaten hier bei der Desinfektion von Räumlichkeiten.
Auch als Polen die Grenzen schloss, sich lange Staus gebildet hatten, unterstützten Soldaten der "PzGrenBrig 37" tatkräftig bei der Versorgung der "Eingeschlossenen" durch zivile Helfer. Rückten mit der Feldküche an (TAG24 berichtete).
"Was wir gut können", erklärt der Brigadegeneral, "ist das Handeln im Chaos. Wir haben die Präsenz, das Können, die Mittel und wir haben die Manpower. Im Stau kam es darauf an, innerhalb weniger Stunden nach dem ersten Anruf und unkompliziert die tollen Ersthelfer vom Roten Kreuz zu entlasten und mit diesen als Team das Problem zu lösen."
Einsatz bei früheren Katastrophen
Auch Lagerkapazitäten für Schutzausrüstung stellt man - zum Beispiel dem Technischen Hilfswerk - zur Verfügung. Die Kaserne wird schließlich sowieso bewacht, anderswo müssten sie extra gesichert werden.
Schon bei früheren Katastrophen wurde auf die aus Frankenberg heraus geführten Soldaten zurückgegriffen. Beim Hochwasser 2002 zum Beispiel. Oder beim Borkenkäfer-Einsatz im letzten Jahr, als der Forst nicht fix genug die geschädigten Bäume aus dem Wald bekam.
Beeindruckt habe ihn da, sagt Brügner, wie schnell und unkompliziert die Soldaten gemeinsam mit den Zivilen rangeklotzt hätten.
Also auch eine gute Werbung für die Truppe? Der General will das nicht ausschließen, schiebt aber gleich hinterher: "Wir tun das nicht für die Akzeptanz. Für meine Soldaten ist das Heimat." Da gehöre Hilfe eben dazu.
Apropos Heimat. Etwa 570 Soldaten der Brigade befinden sich momentan im Auslandseinsatz. 458 in Litauen, 112 in Mali (Stand Anfang Mai).
In Litauen hatte es ebenfalls Corona-Fälle gegeben, dort erkrankte Kameraden mussten zunächst zurückbeordert werden.
Auch sie seien alle wieder gesund, beteuert Brügner, der sich daran gewöhnt hat, seine Bataillonskommandeure und andere Mitarbeiter jetzt per Videokonferenz zu erreichen.
Anders als bei Privatunternehmen würden dabei Ton und Bild getrennt übertragen - so will es die Geheimhaltungsvorschrift.
Weitere Corona-Maßnahmen: "Dienstzimmer sind momentan möglichst nur mit einem Soldaten besetzt", erklärt der Brigade-Chef, "und in der Gefechtsausbildung schlafen nur zwei statt acht Kameraden im großen Zelt".
Seit Mitte März wurde zudem eine "Operationszentrale" (eine Art Lagezentrum) eingerichtet, die Anfragen nach Corona-Einsätzen aufnimmt, die Soldaten im Hilfseinsatz koordiniert.
Bundeswehr-Alltag in Corona-Zeiten
Bis Ende Mai, hofft Brigadegeneral Gunnar Brügner, "soll hier möglichst alles wieder normal verlaufen, aber natürlich gelten auch für die Soldaten bis auf Weiteres glasklare Schutzmaßnahmen."
Dass viele Kameraden bis dahin ihren Dienst eher im Homeoffice als an der Waffe versehen, habe durchaus seinen Sinn. Schließlich bringe es wenig, wenn ein Infizierter alle anderen ansteckt.
Über die Abwehrbereitschaft der Truppe macht sich Brügner trotz dieser Ausnahmesituation keine übertriebenen Sorgen. "Wir halten Kräfte vor, um sofort reagieren zu können", sagt er. Die Sicherheit Deutschlands habe nach wie vor die höchste Priorität.
Titelfoto: Eric Münch