Bäche, Brachen und die Uranhalde: Dieser Mann hat Dresden entgiftet
Dresden - Seit Januar 1993 ist Bernd Richter (65) im Rathaus als Sachgebietsleiter "Altlasten" tätig. Während Bürgermeister die Richtung vorgaben, sanierte der promovierte Informatiker die Uranhalde Coschütz/Gittersee, die Erlwein-Gasbehälter, den Grünzug Weißeritz, Dutzende Bäche, Brachen, Deponien. Jetzt geht einer der wichtigsten "Männer im Hintergrund" in Rente.
Seit Jahren steht ein kleines Gläschen mit Grundwasser des Weißeritz-Grünzuges (Löbtau) auf dem Schreibtisch des einstigen Robotron-Mannes. "Wenn das Gläschen einfach stand, sah das Wasser klar aus, wenn ich es schüttelte, löste sich Teer. Es sah aus wie in einer schwarzen Schneekugel."
Jahrelang kämpfte Richter um Fördermittel. Mittlerweile sind ein Gewerbegebiet und der Grünzug entstanden. Die alten Industrie-Brachen sind weg.
Im Technopark Nord musste in der Textil-Wäscherei einer alten Kaserne 40 Meter tief der Boden weggegraben werden. Ein kyrillischer Schriftzug "Trichlorethylen Gefahr" warnte auf Außenmauern. Zwischen 1993 und 2012 entgiftete Richter die einstigen Uranhalden in Coschütz/Gittersee. Der kleine Teich im Kaitzer Grund ist sein Extra an die Dresdner.
"Den hätte es nicht gebraucht. Doch früher gab es dort ebenfalls ein Gewässer. Irgendwann fiel die Entscheidung: Das machen wir!"
Mit einem Trick holte Richter Angela Merkel nach Dresden
Eine prägende Erinnerung: Weil wieder Geld fehlte, sollte die damalige Umweltministerin Angela Merkel in Gittersee helfen. Ein Besuch war abgesprochen. "Doch dann blockierten sich die Büros von Merkel und dem OB. Niemand wollte zuerst einladen. Ich schickte freitagnachmittags ein Fax. Keiner wusste, von wem das war, beide fühlten sich eingeladen und kamen."
Richters Erinnerung an die Tausenden Mitarbeiter des Reifenwerks VEB Pneumant, welches zu DDR-Zeiten auf der einstigen Uran-Halde stand, ist mittlerweile Teil des Stadtmuseums und war in der Landesausstellung: "Als die Fabrik städtisch wurde, habe ich nebenbei sämtliche Schlüssel gesammelt. Als die riesige Fabrik weg war, war nur noch das Schlüsselglas da. Irgendwann meldete sich das Museum."
Obendrein war Richter mit seinen Kollegen für die Umsetzung des Hochwasserschutzes in der Innenstadt zuständig. "Ein gigantisches Projekt. Bei der Flut 2013 hatten wir höllisch Angst, dass alles hält. Das hat Nerven gekostet."
Anfang März ist nun offiziell Schluss, zumindest beinahe. Als "Rentner" betreut Richter die Sanierung der Collmberghalde weiter. "Bei den Bergleuten habe ich mich immer wohlgefühlt. Ein Versprechen ist dort noch ein Versprechen."
... und das ist sein letztes Projekt
Zwischen 1920 und 1994 arbeitete, 300 Meter von der Elbe entfernt, die Wäscherei Schoof. Tonnen an Gift liefen aus alten Fässern, versickerten in Richtung Lockwitz. Jetzt läuft die 4,4 Millionen Euro teure Sanierung als "Gewaltaktion".
Es brummt und rattert. Im Minutentakt fahren Laster über den kleinen Lockwitzbachweg in Richtung Laubegaster Werft. 40 Jahre lang hätten auf dem Gelände weitere 40 Tonnen Gift mühsam aus dem Boden gefiltert werden müssen. Weil Fördermittel verfügbar sind, kann jetzt schneller gearbeitet werden. Doch dazu wird schweres Gerät gebraucht.
Der 33 Meter hohe BG 46 (563 kW) bringt das stärkste momentan verfügbare Drehmoment in den Boden. Pro Tag kostet allein die Maschine 10.000 Euro. "Das sind Geräte, die gehen im Anschluss zum Beispiel nach Kanada", sagt Bauoberleiter Holger Heiser (60) vom Umweltamt.
Seit fast 30 Jahren arbeitet er zusammen mit Altlasten-Chef Bernd Richter (65). Aktuell werden bis in 21 Meter Tiefe Metallrohre in die Erde gerammt, die dann mit Beton verfüllt werden. So wird ein Schutz zu den angrenzenden Häusern hergestellt.
Danach holt der Mega-Bohrer den Gift-Boden nach oben. Reinigung und Entsorgung erfolgen unter extremen Schutz-Auflagen.
Titelfoto: Montage: Thomas Türpe, Norbert Neumann