Bereits viele Schätze gefunden: Archäologen buddeln Dresden um
Dresden - Es ist eine Reise in die dunkelsten Stunden der Dresdner Geschichte. Mit jedem Keller, den die Archäologen auf der Baustelle des neuen Verwaltungszentrums am Ferdinandplatz freilegen, erhalten sie einen weiteren Blick auf das, was hier vor 75 Jahren durch die Bomben der Alliierten untergegangen ist.
So wie das Café Sommer, das am Georgplatz 14 gestanden hat. In dessen Keller sind die Archäologen auf ein langes, durch das Feuer in sich zusammengesunkenes Regal voller leerer Weinflaschen, eine Verkorkungsmaschine sowie Geschirr aus Meißner Porzellan gestoßen.
"Hier wurde für das Catering nach Kundenwunsch Wein aus großen Fässern abgefüllt", erklärt Sachsens Landesarchäologin Regina Smolnik.
Anhand gefundener Etiketten, die zum Teil noch lesbar waren, wissen die Forscher, dass hier unter anderem Bordeaux abgefüllt wurde.
Was aus den Betreibern geworden ist, wisse man dagegen nicht, sagt Archäologe Lutz Jansen (54). Die gefundenen Gegenstände gehen daher wie alles, was sich keinem Besitzer zuordnen lässt, ins Eigentum des Freistaates über.
Ein paar Häuser weiter, an der Waisenhausstraße 34, wurden die Archäologen ebenfalls fündig. Dort stand einst die Druckerei Baensch.
Im Keller lagen die verbrannten Überreste riesiger Papierballen und -rollen sowie noch lesbare Formulare für die Wehrmacht. Die für den Druck verwendeten Bleilettern seien durch das Feuer zu einer großen Metallpfütze zusammengeschmolzen, erklärt Jansen.
Gut erhalten sind dagegen einige Druckplatten. Es werden nicht die letzten interessanten Funde sein. Denn zur Fläche unter der ehemaligen Reichsbank haben sich die Archäologen noch nicht einmal vorgegraben.
Gegraben wird noch bis März nächsten Jahres. Von dem, was freigelegt wird, wird aber nichts übrig bleiben. Das Areal wird nämlich sieben Meter tief ausgegraben, um Platz für eine zweietagige Tiefgarage zu schaffen.
Ferdinandplatz hat schon vieles erlebt: Nobelviertel, „Porno-Garten“, Großparkplatz
Was hat dieser Platz schon alles erlebt? Die jüngeren Dresdner kennen den Ferdinandplatz nur als Parkplatz und Brache. Doch das war nicht immer so.
Ab Ende des 16. oder Anfang des 17. Jahrhundert wurde das Areal, das vor dem Stadtwall lag, allmählich bebaut.
Ab dem 18. Jahrhundert gab es eine geschlossene Ringbebauung um die Fläche und dahinter Wirtschaftsgebäude.
Angelegt wurde der Ferdinandplatz im Jahr 1861 und nach der Ferdinandstraße benannt, die ihn durchschnitten hat.
In der Gründerzeit war der Bereich dann die zweitteuerste Wohnlage nach dem direkten Stadtzentrum. Gab es bis ins 19. Jahrhundert noch Gärten, war das Areal vor der Zerstörung 1945 zu 95 Prozent bebaut.
Nach dem Krieg existierte der Platz dann gar nicht mehr. Der Gänsediebbrunnen wurde 1961 in die Weiße Gasse versetzt.
Zu DDR-Zeiten war die Fläche eine Wiese, auf der Skulpturen mit Aktkunst aufgestellt waren. Das brachte dem Platz im Volksmund den Namen "Porno-Garten" ein.
Pläne, das Areal zu bebauen, wurden bis zur Wende nicht mehr umgesetzt. Die Entwürfe sahen unter anderem ein Hochhaus an der Stelle vor, wo heute das Galeria Karstadt Kaufhof steht.
Mit der Bebauung in den Neunzigern kehrte der Ferdinandplatz als Name zurück, war allerdings hauptsächlich ein Großparkplatz.
Titelfoto: Holm Helis