1000 Teilnehmer bei Neonazi-Schaulaufen: "Gedenkmarsch" legt Dresdner Innenstadt lahm
Dresden - Ein Schaulaufen der Neonazi-Prominenz lähmte am Sonnabend-Nachmittag die Dresdner Innenstadt: Zum alljährlichen "Gedenkmarsch" der Szene hatten sich rund 1000 Teilnehmer eingefunden. Liefen diese nur eine kurze Strecke, dauerte die Veranstaltung über fünf Stunden.
Es waren nicht die Blockaden der Gegendemonstranten, die den Zug immer wieder ins Stocken brachten. Mit 1890 Beamten schaffte es die Polizei schon, Ansätze von Blockaden auf der geplanten Route immer wieder zu räumen.
Am Dippoldiswalder Platz versuchten laut Polizeiangaben Gegendemonstranten eine Absperrung zu durchbrechen. Ein junger Mann (18) kassierte dabei eine Anzeige wegen Landfriedensbruchs, ein weiterer junger Mann (18) warf mit einem Stein nach Beamten, verfehlte diese und bekam eine Anzeige wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung.
Acht Gegendemonstranten müssen sich wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, eine Demonstrantin wegen Beleidigung sowie ein Teenager (15) wegen Widerstands verantworten.
Doch es waren nicht die Gegendemonstranten, die den Aufmarsch immer wieder anhielten: Schon zu Beginn musste Anmelder Lutz Giesen (48) die Auflagen nochmal verlesen, da er sie beim ersten Mal zu schnell vorgelesen hatte und auch Teilnehmer schon vor Aufzug gegen sie verstießen.
Demo-Anmelder Lutz Giesen im Gespräch mit der Polizei
Vom Hauptbahnhof, über Schweriner Straße zum Bahnhof-Mitte - Strecke dauerte Stunden
Kaum losgelaufen, stoppte die Polizei den Zug und nahm Alfred Schäfer (68) fest: Dieser hatte nach Vorankündigung schon am Freitagabend aus Dresden über Telegram einen Vortrag gestreamt:
"Er hatte gestern in einem sozialen Netzwerk ein Video veröffentlicht, in dem er den Holocaust leugnete", so Polizeisprecher Marko Laske (48).
"Ihm wird Volksverhetzung vorgeworfen." Direkt aus der Demo ging es für ihn in Gewahrsam.
Gegen vier weitere Teilnehmer der Demonstration ermittelt die Polizei wegen verbotener Parolen und Symbole, zwei waren mit Schutzbewaffnung unterwegs. Mehrfach musste für die Personalienaufnahme der Zug gestoppt werden.
Auch der "Volkslehrer" Nikolai Nerling (42) musste außerhalb der Demo seine Personalien abgeben. Allerdings nur, weil die Polizei sicher gehen wollte, dass er die Aufnahmen von Passanten, die er gegen deren Willen filmte, nicht veröffentlicht.
Der Zug zog sich so über mehrere Stunden die kurze Strecke vom Hauptbahnhof, über Reitbahn-, Marien- und Schweriner Straße vor den Bahnhof-Mitte.
Dort hielten neben Giesen noch Neonazis vom "Nationalen Widerstand Böhmen" und "Casa Pound" sowie das Szene-Urgestein Edda Schmidt (74) ihre Reden.
Gastredner vom "Nationalen Widerstand Böhmen"
Dresdens Polizeipräsident zieht positives Fazit
Erstmals nahmen auch die "Freien Sachsen" mit eigenen Transparenten an der Neonazi-Veranstaltung teil. Auch die führenden Köpfe der Thüringer Corona-Proteste Christian Klar (42) und Frank Haußner nahmen teil.
Dresdens Polizeipräsident zieht ein positives Fazit:
"Die Dresdner Polizei schaut auf einen herausfordernden und dynamischen Einsatztag zurück", so Lutz Rodig (59).
"Dabei haben die Einsatzkräfte sowohl das Recht der Versammlungsfreiheit als auch einen Gegenprotest in Hör- und Sichtweite gewahrt. Weiterhin konnte ein Aufeinandertreffen der beiden Lager verhindert werden."
Er führte aus: "Es ist mir bewusst, dass das für viele Dresdnerinnen und Dresdner mit Einschränkungen verbunden war."
"Diese waren jedoch notwendig, um unsere Aufgabe zu erfüllen."
Titelfoto: Fotomontage: Ove Landgraf