So attraktiv sind Chemnitzer Parteien für den Nachwuchs
Chemnitz - Die Chemnitzer Kreisverbände buhlen mit ihren ganz eigenen Strategien um Nachwuchs. Manche Partei hat eine Verjüngungskur bitter nötig: Vor allem Linke, CDU und AfD sind ziemlich "in die Jahre gekommen". Die frischgebackene CDU-Partei-Chefin Ines Saborowski (55) kündigte jüngst an, die Modernisierung der Chemnitzer Christdemokraten zur Top-Priorität zu machen. Und der Rest? So wichtig ist den Parteien der Chemnitzer Nachwuchs.
FDP
Digitalisierung, Bildung und Co.: FDP-Chef Jens Kieselstein (41) erklärt, dass seine Partei vor allem inhaltlich bei der Jugend punkte. "Um den Austausch zu unterstützen, machen wir Angebote wie soziale Events, Bootstouren und Festbesuche." Die FDP Chemnitz hat 149 Mitglieder (Altersschnitt: 43,5 Jahre), die Jungen Liberalen 95 (24,4 Jahre).
SPD
"Die Werbung von Mitgliedern funktioniert am besten im Gespräch und noch besser innerhalb des persönlichen Umfelds", sagt SPD-Parteichef Sebastian Reichelt (36). Die Jugend arbeite mit Gesellschaft, Kultur und Gewerkschaften zusammen - etwa beim Kosmos-Festival oder der Fahrradparade am Friedenstag. Die SPD zähle knapp 200 Mitglieder (Altersschnitt: 46 Jahre), die Jusos rund 100 (25,5 Jahre).
Linke
Der Großteil trete online bei, erzählt der Linken-Vorsitzende Tim Detzner (43): "Die meisten hatten vorher bei Veranstaltungen und Aktionen persönlichen Kontakt zu Mitgliedern." Regelmäßig veranstalte man Gespräche mit Neu-, Noch-Nicht- und Bestands-Mitgliedern. Der Altersschnitt der 568 Mitglieder beträgt 64 Jahre, die Mitglieder der Linksjugend seien 14 bis 35 Jahre.
Grüne
Vorstandssprecherin Coretta Storz (36) nennt Klimaschutz und Anti-Diskriminierung als Herzensthemen der grünen Jugend: "Wir möchten junge Menschen dafür begeistern, sich gemeinsam für diese Themen einzusetzen, sei es bei Demonstrationen gegen rechts, beim CSD für Vielfalt und bei praktischem Umweltschutz wie zum Beispiel Flussputzaktionen." Insgesamt hat die Grüne 224 Mitglieder (Schnitt: 42,5 Jahre; Grüne Jugend: 20,5 Jahre).
AfD
"Unsere jungen Mitstreiter arbeiten im Vorstand mit, organisieren Info-Stände und sind am Rand von Montags-Demonstrationen zu finden", erklärt Kreis-Chef Niko Köhler (45). Interessenten würden vor allem von der Jungen Alternative angesprochen - persönlich und über Soziale Medien. Der Altersschnitt der 128 Mitglieder: 53,8 Jahre.
CDU
Die Christdemokraten locken mit politischer Tuchfühlung: "Interessierte haben die Möglichkeit, reinzuschnuppern, und dabei die Stadträte und Abgeordneten kennenzulernen und ihre Anliegen und Ideen vorstellen zu können", so die neue Partei-Chefin Ines Saborowski (55). Die Partei möchte nun verstärkt auf den Nachwuchs zugehen und ihm zuhören: "Nur so erfahren wir, was den Menschen unter den Nägeln brennt." Der Altersschnitt der 331 Mitglieder beträgt 54 Jahre.
Es sieht alt aus
Kommentar von Gabriel Schwab
Manche Partei sieht derzeit alt aus: In Chemnitz wachsen so manch politischer Couleur schon graue Haare, wie ein Blick auf deren Mitgliederalter verrät. Beim Run auf den Nachwuchs starten die "Älteren" von einer schlechteren Startposition. Dafür birgt ihr Kampf aber die größeren Chancen.
Ein hohes Durchschnittsalter, das bedeutet meistens auch ein größeres Alters-Spektrum. Interessenskonflikte zwischen den Generationen sind vorprogrammiert. Bei den Linken wird das bei Debatten um Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit so deutlich wie bei keiner zweiten Partei. Auch wegen ihrer offenen Debattenkultur (was positiv ist) und der medialen Aufmerksamkeit auf Streitthemen wie dem Gendern.
Die große Chance besteht darin, trotz vermeintlich unüberwindbarer Hürden dennoch einen Konsens zu finden. Lässt sich innerhalb der Partei zwischen den Jungen, Mittelalten und Älteren bei einem Thema eine Brücke schlagen - vielleicht gelingt das dann auch bei der Bevölkerung.
Gefährlich ist, wenn der Kampf um Nachwuchs zur inhaltlichen (oder auch prinzipiellen) Streitfrage wird. Blockiert der zahlenmäßig stärker vertretene Teil der Älteren in der Partei den Kampf um junge Mitglieder, setzt der Sterbeprozess langsam ein.
Titelfoto: Bildmontage: Uwe Meinhold, Max Stryczek, Ralph Kunz, Maik Börner