Mega Haushalts-Loch: Chemnitzer Stadträte sauer, Lücke soll durch Einsparungen geschlossen werden
Chemnitz - Im Chemnitzer Haushalt droht ein Millionen-Loch. Nach Verabschiedung der Einnahmen und Ausgaben für 2023 und 2024 reißt Kämmerer Ralph Burghart (52, CDU) das fast zwei Milliarden Euro teure Zahlenwerk wieder auf, weil 21 Millionen Euro aus der Tariferhöhung für Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst "nicht gedeckt" seien. Nun sind die Parteien gefordert, "diese Finanzlücken zu schließen".
FDP-Ratsherr Jens Kieselstein (42) ist sauer: "Das ist keine grundsolide Finanzplanung. Die Forderungen der Gewerkschaft waren bekannt." Kieselstein plädiert dafür, die sowieso wacklige Brücke für den Radweg über die Kalkstraße zu streichen.
Während die Grünen das Thema im Finanzausschuss besprechen wollen, sagt Wilma Meyer (49, SPD): "Ich bin guter Dinge, dass wir das Geld ausschwitzen können."
Gemeint sind "nicht überall ausgeschöpfte Einnahmequellen für gute Leistungen der Stadt". Detlef Müller (58, SPD) ermahnt alle Fraktionen zu mehr Haushaltsdisziplin: "Bevor wir neue Wünsche äußern, sollten wir Vorhandenes sichern."
Ines Saborowski (56, CDU) will keine Schnellschüsse setzen, fordert: "Wir alle müssen sehen, wo wir sparen können."
Die Linke fühlt sich mit ihren Mahnungen zum Tarifabschluss bestätigt, sagt Dietmar Berger (72). Er lehnt Kürzungen "konsequent ab" und fordert "eine bessere Finanzausstattung durch Bund und Land".
Nico Köhler (47, AfD) fühlt sich vom Kämmerer angelogen: "Ich hatte gefragt, ob eine Tariferhöhung hoch eingeplant wäre. Burghart antwortete: ,Ja'." Köhler würde sich beim Sparen gerne einige Baumaßnahmen und die Theaterzuschüsse anschauen.
21 Millionen Euro gesucht
Kommentar von Bernd Rippert
Was haben die Politiker aller Fraktionen gerungen um den Doppel-Haushalt der Stadt. Sogar eine Mammutsitzung mit 108 Änderungsanträgen war dabei.
2024 wird das Zahlenwerk mehr als eine Milliarde Euro umfassen. Doch kaum ist der Haushalt fix, muss der Kämmerer das Paket wieder aufschnüren. Er hatte vergessen, eine ausreichende Tariferhöhung im Öffentlichen Dienst einzuplanen.
Nun, jeder vergisst mal etwas. Bei mir war es zuletzt der Autoschlüssel, den ich im Wagen liegen ließ. Auf dem Rückweg habe ich den Schlüssel gesucht (und später im noch offenen Auto gefunden). Beim Kämmerer sind es eben mal 21 Millionen Euro Gehaltserhöhungen, die er bei schon laufenden Tarifverhandlungen nicht eingeplant hatte. Passiert.
Einige Politiker werden jetzt fluchen. Woher so viel Geld nehmen, wenn nicht stehlen? Bauprojekte streichen, Schulen nicht sanieren, Gebühren erhöhen, Personal kürzen? Alles würde Geld bringen - und vermutlich einen Sturm der Entrüstung. Auch zu höheren Schulden sind viele Ratsmitglieder nicht bereit.
Ich bin gespannt, wie elegant Rat und Verwaltung über dieses tiefe Haushaltsloch springen.
Titelfoto: Maik Börner