Mittelsächsische Sage: Die starken Frauen von Burg Kriebstein
Kriebstein - Der mittelsächsische Raum steht den anderen Regionen in puncto Sagen in keiner Weise nach. Die Leipziger Germanistin, Volkskundlerin und Erzählforscherin Kathrin Pöge-Alder (57) hat eine Überlieferung ausgewählt, die es nicht nur in sich hat, sondern auch einem wahren Ereignis folgt.
"Auf der Burg Kriebstein lebte Ende des 14. Jahrhunderts, Anfang des 15. Jahrhunderts Dietrich Bärwald. Fastnacht 1415 allerdings drang einer aus dem Geschlecht der Staupitz von Reichenstein ein, setzte Bärwald fest und blieb selbst", so die Forscherin.
Erst die Intervention von Markgraf Friedrich dem Streitbaren brachte eine Lösung: Auf seinen Aufruf hin belagerte die Freiberger Bürgerschaft die Festung. Die Rückeroberung gelang – und Staupitz hatte ein Problem, so die Überlieferung.
Da allerdings sprang Frau von Staupitz ein. Statt sich mit ihrem Hab und Gut aus dem Staub zu machen, lud sie ihren Mann auf die Schulter und verließ die Burg. Das wiederum soll den Markgrafen so sehr berührt haben, dass Eroberer Staupitz ungeschoren davon kam.
Expertin Pöge-Alder verweist auf eine weitere Sage, die genauso ausgeht: Eine gewisse Klotilde von Kriebstein trug ihren Mann aus der Burg. Im Jahr 1838 wurde der tapferen und buchstäblich starken Frau sogar eine Ballade zum Thema gedichtet.
Bereits im 16. Jahrhundert erzählte ein Schauspiel davon. Später nahm sich unter anderen Adelbert von Chamisso (1781-1838) dichterisch der Sage an.
Germanistin weiß: "Wie alle Sagen hat auch diese einen inhaltlichen Mehrwert, eine Moral"
Weil eine dritte Sage, die in Weinsberg bei Heilbronn spielt ("Die Sage der Weiber von Weinsberg"), fast identisch ist, ordnet Pöge-Alder die Story als sogenannte Wandersage ein.
Die Weinsberg-Variante spielt im Jahr 1140. Die Frauen übergeben die belagerte Burg nur dann, wenn jede auf ihren Schultern mitnehmen darf, was sie tragen kann. Das gewährte König Conrad III. Darin sind es sogar alle Frauen vom Weinsberg, die ihre Männer "schultern". Die Ursage ist seit dem 9. Jahrhundert belegt.
"Wie alle Sagen hat auch diese einen inhaltlichen Mehrwert, eine Moral", so Pöge-Alder. "Hier geht es um etwas, das über allem steht: die Verehrung des Mannes. Denn der Schmuck, den die Frauen zurückließen, war eigentlich ihre Altersversorgung, ihre Geldanlage, falls der Mann stirbt – was in den unruhigen Zeiten schnell passieren konnte."
"Witwenrente gab es damals noch nicht. Um so höher ist es anzuerkennen, wenn sich Frauen stattdessen für den Mann entschieden. Damit rettet sich nämlich auch das Familien-Geschlecht! ... Ich hoffe, er war nett zu ihr."
Kein Wunder, so die Leipzigerin, dass die Sage über deutsche Ländergrenzen Verbreitung fand. "Diese sogenannten Volkssagen gaben allgemeines Wissen weiter, es sind traditionelle populäre Erzählungen."
Titelfoto: Repro: Ralf Seegers, ZB/Jan Woitas