Zwangs-Umzug in Chemnitz: Afghanen und Syrer müssen für Ukraine-Flüchtlinge Platz machen
Chemnitz - Der Afghane Fahim Ahmad (27) musste Platz machen: Er und 35 weitere Geflüchtete aus dem Mittleren Osten seien vom Sozialamt aufgefordert worden, ihre Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft Altendorfer Straße in Chemnitz von einem auf den anderen Tag zu räumen - für Geflüchtete aus der Ukraine.
Ahmad spricht dabei von "Zwang": "Anders als die anderen habe ich mich noch einen Tag geweigert zu gehen. Das Sozialamt sagte dann zu mir, dass ich am nächsten Tag gehen muss, sonst kommen sie mit der Polizei."
Wie eine Rathaus-Sprecherin erklärte, seien die Bewohner auf andere vorhandene Einrichtungen der Stadt Chemnitz verteilt worden: "Selbstverständlich werden auch deren persönliche Belange (Einzelzimmerwunsch) so weit möglich berücksichtigt."
Der 27-Jährige, der nach eigenen Angaben zum Studium nach Deutschland kam und erst hier durch die Machtübernahme der Taliban zum Geflüchteten wurde, merkt davon nichts. Seit einigen Tagen ist er im Heim in der Straßburger Straße untergebracht. Sein abgewohntes Zimmer, das er sich nun teilen muss, sei voller Wasserflecken. In der Unterkunft sei es dreckig und rieche.
"Es fühlt sich an wie eine Strafe", sagt Ahmad.
Linke kritisiert Zwangs-Umzug: "Das ist rassistisch und nicht akzeptabel"
Die Stadt erklärte, dass die Unterkunft in der Altendorfer Straße freigemacht wurde, um Frauen und Kindern einen eigenen, geschützten Raum zur Verfügung stellen zu können. Doch ist das überhaupt notwendig?
Erik Escher (39), Sprecher der städtischen Wohngesellschaft GGG: "Wir können die Stadt mit Hunderten Wohnungen unterstützen." Davon seien 200 sofort verfügbar, weitere könne man auf Nachfrage möblieren.
Carolin Juler (24), migrationspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, befürchtet, dass die betroffenen Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten retraumatisiert werden könnten: "Sie sind aufgrund von Krieg, Gewalt und politischer Verfolgung geflohen, um in Deutschland in Sicherheit leben zu können. Nun werden sie mehrfach diskriminiert und weiterhin wie Menschen zweiter Klasse behandelt."
Juler schimpft: "Das ist für mich rassistisch und nicht akzeptabel."
Hunderte Wohnungen stehen für Ukraine-Flüchtlinge zur Verfügung
Anfragen direkt aus dem Kriegsgebiet: Erste Ukrainer mieten Wohnungen des Großvermieters GGG bereits vor ihrer Flucht an.
Wie Unternehmenssprecher Erik Escher (39) erklärte, gehe die städtische Tochter schon bald von einer steigenden Nachfrage aus.
Vor wenigen Tagen ging die eigens eingerichtete Info-Seite www.ggg.de/ukraine online. Diese beinhaltet neben einem direkten Aufruf an wohnungssuchende Flüchtlinge auch Ansprechpartner und Initiativen für Chemnitzer, die helfen und spenden wollen.
"Wir haben 1200 Wohnungen zur direkten Anmietung im Angebot", so Escher.
Titelfoto: Michael Kappeler/dpa, Maik Börner