Zurück im Fernverkehrsnetz: Mit der Bahn von Chemnitz an die Ostsee ohne Umsteigen
Chemnitz - Seit Sonntag fährt der Intercity wieder von Chemnitz über Berlin nach Rostock/Warnemünde. Während Fahrgäste sich über die Fernverkehrsanbindung freuen, schwingt auch Kritik mit.
Nachdem vor 16 Jahren die Fernbahnstrecke in Chemnitz eingestellt wurde, hielt sich der Ansturm beim Neustart am Sonntag in Grenzen: Laut VMS-Sprecher Falk Ester (53) hatten sich 40 Gäste (Stand: 10. Juni) für die Fahrt mit dem ersten Intercity vom Chemnitzer Hauptbahnhof angemeldet.
Täglich um 6.26 Uhr und 8.26 Uhr fahren nun zwei IC-Züge gen Warnemünde über Freiberg, Dresden und Berlin. Um 13.52 Uhr und 15.52 Uhr geht es dann von Warnemünde über Rostock wieder zurück nach Chemnitz. Der Preis variiert, die Fahrt Sonntagfrüh kostete 81,90 Euro. Fahrtzeit: 5 Stunden und 35 Minuten.
DB-Sprecher Jörg Bönisch (59) zur Kapazität der Züge: "Die Intercitys können eine Anzahl von je 267 Passagieren in der 2. Klasse und 28 in der 1. Klasse transportieren." Der Freistaat finanziert das Projekt mit 2,5 Millionen Euro pro Jahr.
Doch die neue Strecke bringt auch Kritik mit sich
Allerdings gibt es bereits jetzt erste Einschränkungen: Wegen Bauarbeiten im Raum Berlin würden Sonntag und Montag die Züge über Schwerin umgeleitet. Auch in den nächsten Monaten kann es noch zu Unregelmäßigkeiten kommen.
Während die Abfahrt des ersten IC von Chemnitz in Anwesenheit von OB Sven Schulze (50, SPD) gefeiert wurde, gibt es auch Kritik. Sebastian Drechsler (31) von der Bahninitiative Chemnitz mahnt an, dass zwei Zugfahrten täglich in eine Richtung zu wenig seien.
Außerdem sei das Angebot für Pendler, die nicht in Sachsen wohnen, nicht attraktiv: "Wenn man zum Beispiel in Berlin wohnt und in Chemnitz arbeitet, dann kommt man per IC nicht rechtzeitig an", erklärt Drechsler.
Wo fahren Sie denn hin?
Joachim Helbig (66, Rentner): "Ich komme aus Chemnitz und möchte mit dem IC nach Dresden fahren. Ich hatte keine Probleme, für den ersten IC-Zug ein Ticket zu bekommen. Mit dem 9-Euro-Ticket kann man ja nicht fahren."
Christoph (68, Rentner) und Annelie Höhlig (66, Bürokauffrau): "Wir kommen aus Stollberg und wollen von Berlin aus in den Urlaub fliegen. Wir freuen uns definitiv über die neue Fernstrecke und haben schon lange auf die IC-Verbindung gewartet. Unsere Reise ist kostenlos, da wir über TUI gebucht hatten."
Ramona Hickl (Sachbearbeiterin): "Ich komme aus Chemnitz und reise über Berlin nach Usedom. Ich freue mich sehr über die neue Reiseverbindung. Das geht jetzt bestimmt alles schneller wegen der Kulturhauptstadt. Ab Berlin fahre ich mit dem 9-Euro-Ticket."
Tobias (40) und Lydia Tannenhauer (40): "Wir kommen aus Chemnitz und wollen nach Dresden. Wir möchten einfach ein bisschen IC fahren aus Spaß an der Freude. Wir freuen uns über die Fernverbindung."
Noch ein weiter Weg
Kommentar von Robert Preuße
Es ist erfreulich, dass der Chemnitzer Hauptbahnhof nun endlich auch wieder eine IC-Anbindung für Fernstrecken hat. Auf dem Weg zur Kulturhauptstadt ist dies ein wichtiges Signal.
Allerdings wirkt es bei näherer Betrachtung ein Armutszeugnis, dass Chemnitz - immerhin Sachsens drittgrößte Stadt - erst nach 16 langen Jahren wieder eine Fernbahnanbindung erhält.
Kritikwürdig ist auch, dass es nur ganze zwei Fahrten per IC pro Tag gibt. Insofern wird politisch und verwaltungstechnisch wie so oft nicht geklotzt, sondern abermals nur gekleckert. Dabei war die Euphorie bei den Fahrgästen am ersten Tag zu spüren, endlich ohne Umsteigen auch über Dresden hinaus in den Norden der Republik zu fahren.
Jedoch konnte man auch erste kritische Stimmen von Fahrgästen hören: zum Beispiel, dass das 9-Euro-Ticket für Intercitys nicht gilt. Wenn man sich zudem die verschiedenen DB-Preisvarianten für eine Fahrt von Chemnitz nach Warnemünde ansieht, kann man auch wieder die Lust am Bahntrip verlieren.
Zusätzliche Verzögerungen durch Bauarbeiten und Umleitungen tun da ihr Übriges. Ich selbst fahre gerne Bahn und werde bestimmt auch die neu eröffnete Route in Anspruch nehmen.
Bis 2025 haben Freistaat, Bahn und Stadt allerdings noch einen weiten Weg vor sich, um potenzielle Fahrgäste zu gewinnen. Nicht nur aus der Region, sondern aus ganz Europa.
Titelfoto: Maik Börner