Wie hart trifft uns die Gaskrise? enviaM-Chefs im TAG24-Verhör

Chemnitz - Es wird der teuerste Winter aller Zeiten, ein Ende der Preisspirale bei Strom und Gas ist nicht abzusehen. "Wir spüren eine große Ratlosigkeit bei der Kundschaft", sagt Andreas Auerbach.

Andreas Auerbach, EnviaM-Vertriebs-Chef, weiß, wie teuer die Gaskrise für Kunden werden kann.
Andreas Auerbach, EnviaM-Vertriebs-Chef, weiß, wie teuer die Gaskrise für Kunden werden kann.  © dpa/Jeibmann Photographik

Im Gespräch mit TAG24 beantworten der Vertriebs-Chef des hiesigen Energiekonzerns sowie enviaM-Vorstands-Chef Stephan Lowis die drängendsten Fragen.

Wie teuer wird die Rechnung?
"Der Trend nach oben ist unaufhaltbar", so Andreas Auerbach. Im Vergleich zum Jahresbeginn 2021 sei der Beschaffungspreis beim Gas um 1508 Prozent auf 25 Cent die Kilowattstunde gestiegen, der des Stroms um 1091 Prozent auf 61 Cent die Kilowattstunde.

Wie sich das auf die Kundschaft auswirkt, könne das Unternehmen noch nicht prognostizieren.

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Vertragsabschluss: ja oder nein?
Klares Nein: "Es ist die große Stunde der Grundversorgung", erklärt der Verbriebs-Chef. Zu dieser ist das jeweils größte Energieunternehmen in der Region verpflichtet. Bei enviaM zahlen Kunden laut Sprecherin Evelyn Zaruba derzeit 13,32 Cent für die Kilowattstunde Gas und 27,78 Cent für die Kilowattstunde Strom.

Vertragliche Preisgarantien gebe es derzeit zwar, seien aber nicht rentabel.

Düstere Aussichten für die Chemnitzer Energie: Unternehmen und Privathaushalte haben mit steigenden Kosten zu kämpfen.
Düstere Aussichten für die Chemnitzer Energie: Unternehmen und Privathaushalte haben mit steigenden Kosten zu kämpfen.  © imago/Sylvio Dittrich

Ratenzahlung, Wohngeld-Erhöhung und direkte Zahlungen an bestimmte Einkommensgruppen

Das Energieunternehmen in der Chemnitztalstraße fordert die Politik zum schnellen Handeln auf.
Das Energieunternehmen in der Chemnitztalstraße fordert die Politik zum schnellen Handeln auf.  © Kristin Schmidt

Und wenn ich nicht zahlen kann?
Vorstands-Chef Stephan Lowis: "Kunden sollen sich bei Zahlungsschwierigkeiten frühzeitig bei uns melden." Dann könnten Lösungen wie etwa eine Ratenzahlung vereinbart werden. "Wenn der erste Zahlungsausfall eintritt, ist es meistens schon zu spät."

Was hilft jetzt noch?
Das Unternehmen nimmt die Politik in die Pflicht: "Was bisher an Maßnahmenpaketen auf dem Tisch liegt, wird nicht ausreichen, um die Kostenbelastung abzufedern", erklärt Vorstands-Chef Stephan Lowis.

Er fordert etwa Wohngeld-Erhöhungen und direkte Zahlungen an bestimmte Einkommensgruppen. Die Umsatzsteuer solle nicht nur für Gas auf 7 Prozent gesenkt werden, sondern auch für Strom und Fernwärme.

Gerade Menschen mit geringem Einkommen (davon viele Rentner) haben Angst, die Heizrechnung nicht mehr zahlen zu können.
Gerade Menschen mit geringem Einkommen (davon viele Rentner) haben Angst, die Heizrechnung nicht mehr zahlen zu können.  © PantherMedia/Anna Talan

Chemnitz ist in Sachsen größter Gas-Verbraucher

Bei der Nutzung von Gas ist Chemnitz sachsenweit Spitzenreiter: 47,5 Prozent der neu fertiggestellten Wohngebäude zwischen 2016 und 2020 nutzten laut Statistischem Landesamt den derzeit viel diskutierten Energieträger zum Heizen.

Die Stadt liegt damit vor Leipzig (42,4 Prozent) sowie Dresden (35,3 Prozent) und auch deutlich über dem sächsischen Durchschnittswert von 39,7 Prozent. Auf Platz 2 und 3 folgen Luft-Wasser-Wärmepumpen mit 29,4 Prozent sowie Geothermie, also Erdwärme, mit 12,1 Prozent.

Mit Holz heizen lediglich 1,6 Prozent.

Erneuerbare statt Erdgas

Kommentar von Gabriel Schwab

Redakteur Gabriel Schwab (29)
Redakteur Gabriel Schwab (29)  © Kristin Schmidt

Krisen über Krisen: Kein Wunder, dass bei Corona, Ukrainekrieg und Kostenexplosionen ein ganz gewaltiges Problem in den Köpfen der Ostdeutschen ins Hintertreffen gerät - die Klimakrise. Das ist nicht nur fatal, sondern angesichts der aktuellen Lage langfristig kontraproduktiv.

Bei der jährlichen Energieumfrage der EnviaM-Gruppe unter mehr als 1000 Ostdeutschen rangiert das Zahlen der Strom- und Gas-Rechnungen weit über einem schnellen Ausbau der Erneuerbaren. Selbst bei der jungen Generation: So räumen 29 Prozent der 16- bis 26-Jährigen der Bezahlbarkeit die höchste Priorität ein, beim Rest sind es sogar 32 Prozent. Daneben rangiert der Ausbau der Erneuerbaren lediglich bei 12 Prozent auf Priorität Nummer 1.

Klar, das aktuelle Dilemma können Wind-, Solar- und Wasserenergie nicht lösen. Hier sind leider Atomkraft und Braunkohle die Mittel der Wahl. Langfristig ist ein Ausbau der Erneuerbaren jedoch unabdingbar. Nicht nur, um den Planeten zu retten - sondern auch, um Deutschland zu stärken. Die Abhängigkeit von globalen Lieferketten wird beim russischen Gas offensichtlich.

Langfristig schafft der Ausbau der Erneuerbaren genau die Unabhängigkeit, die es derzeit so dringend bräuchte. Bestes Beispiel ist Norwegen: 95 Prozent der Energie bezieht das Land aus Wasserkraft und 3,5 Prozent des Stroms werden durch Windkraft gewonnen. Dabei sitzt das Land auf riesigen Erdgasvorkommen.

Unabhängig sein und dabei den Planeten retten: Braucht es noch mehr Gründe für ein Vorantreiben der Energiewende hierzulande?

Titelfoto: imago/Sylvio Dittrich, dpa/Jeibmann Photographik

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