Veikko Bartel war Strafverteidiger: Der Mann, dem die Mörder vertrauen!

Chemnitz - Wir kennen sie aus dem Tatort, aus der Zeitung, vielleicht noch vom Hörensagen. Aber aus dem richtigen Leben? Fast nie. Schon beim Wort "Mörder" zieht's die Nackenhaare gerade - weil's uns gruselt vor Menschen, die anderen das Leben nehmen.

Veikko Bartel (57) hat als Anwalt in viele Abgründe geschaut, manchen Mordfall bearbeitet. "Strafverteidiger sind nicht Schutzschild der Kriminellen", ärgert er sich über ein altes Vorurteil. Vielmehr seien sie ein wichtiger "Teil auf dem Weg zur Gerechtigkeit".
Veikko Bartel (57) hat als Anwalt in viele Abgründe geschaut, manchen Mordfall bearbeitet. "Strafverteidiger sind nicht Schutzschild der Kriminellen", ärgert er sich über ein altes Vorurteil. Vielmehr seien sie ein wichtiger "Teil auf dem Weg zur Gerechtigkeit".  © PR/Christoph Bastert

Es sei denn, wir haben eine Verbindung zu ihnen ... Ein Mann aus Chemnitz kann das von sich behaupten: Veikko Bartel (57) hat einen Draht zu Totschlägern und Mördern, seit er als Strafverteidiger Dutzende von ihnen kennenlernte.

Mittlerweile schreibt Bartel Bücher über diese Gewalttäter und liest - musikalisch begleitet - auf unterschiedlichsten Bühnen daraus vor. Er ist der Mann, dem die Mörder vertrauen.

Bartels Biografie ist so außergewöhnlich wie sein Vorname. Den hat er seiner Oma zu verdanken und ihrer Schwärmerei für ein finnisches Ski-As der 60er-Jahre.

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Veikko wuchs in Schwarzenberg im Erzgebirge auf, ging nach dem Abi zur NVA und blieb dort Offizier bis zur Wende. Jobbte anschließend als Museumsführer und Wurstverkäufer, studierte Jura und wurde Anwalt. Schwerpunkt: Strafrecht. Seine neue Uniform war jetzt die Robe. Seine Waffen? Das Gesetzbuch und eine große Portion Hartnäckigkeit.

Das Mandat für seinen ersten Mordfall bekam Bartel eher durch Zufall - der Angeklagte war der Sohn seiner früheren Deutschlehrerin.

Ein spektakulärer Fall: Ein bezahlter Auftragskiller hatte einen Staatsdiener in dessen Amtsstube erstochen. Klar, dass das Medieninteresse riesig war. Veikko Bartel machte sich als Verteidiger sofort einen Namen. "Und dann spricht sich so etwas natürlich rum", erinnert er sich. Von da an ging es Schlag auf Schlag.

Bartel oft bei spektakulären Fällen dabei

Bartel verteidigte auch den Mann, der 2009 die Ägypterin Marwa Ali El-Sherbini (31) im Gerichtssaal erstach.
Bartel verteidigte auch den Mann, der 2009 die Ägypterin Marwa Ali El-Sherbini (31) im Gerichtssaal erstach.  © Jörn Haufe

"Ich habe solche Verfahren, die im Fokus der Öffentlichkeit standen, scheinbar magisch angezogen", sinniert der gebürtige Chemnitzer rückblickend. Am Landgericht Frankfurt/Oder verteidigte er in den Nuller Jahren mal einen Mann, der im Zusammenhang mit einem Doppelmord angeklagt war - und bekam ihn frei.

Spektakulär auch der Fall Holger H.: "Der war Familienvater von drei Töchtern und saß für den Mord am Geliebten seiner Frau ein", erinnert sich Veikko Bartel. Doch dabei sei äußerst schlampig ermittelt worden; ein DNA-Gutachten gab Bartel später die Chance, den Prozess neu aufzurollen.

"Und siehe da, die gesamte Indizienkette löste sich in Luft auf." Nach fünfeinhalb Jahren Haft wurde Holger H. nachträglich freigesprochen. "Das Highlight meiner Verteidiger-Karriere", freut Bartel sich noch heute.

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Anwalt und Mandant waren damals gefragte Talkshow-Gäste, die Karriere schnurrte wie ein gut geöltes Getriebe. Adrenalin und Stress hielten sich - wie bei Justitia - die Waage. Noch ließ sich das hohe Arbeitspensum ertragen. Aber wie lange noch?

Bartel über schwere Verbrecher: "Das sind meist ganz normale Menschen"

Bartel im Gerichtssaal. Heute kümmert er sich um eher trockene juristische Belange. Das Schreiben ist da ein willkommener Ausgleich.
Bartel im Gerichtssaal. Heute kümmert er sich um eher trockene juristische Belange. Das Schreiben ist da ein willkommener Ausgleich.  © Maik Ehrlich

Bartel machte weiter, immer weiter. Angst vor seinen Mandanten hatte er dabei nie. "Das sind meist ganz normale Menschen", betont er.

"Viele sind selbst erschüttert über ihre Tat, ekeln sich vor sich selbst." Besonders bei Beziehungstaten, die einen Gutteil aller Tötungsdelikte ausmachten. "Und dann komme ich als Verteidiger und frage meinen Mandanten nicht nach den guten Sachen, die ihn ausmachen. Sondern nach etwas, wofür er sich am meisten in seinem Leben schämt", beschreibt Bartel das Dilemma eines Anwalts.

Und doch musste er diese Fragen stellen: Zum Tathergang und zu dem, was dem Ganzen vorausgegangen ist. Denn: "In 95 Prozent der Tötungsdelikte ist die Schuldfrage nicht wirklich strittig", sagt Bartel. Deshalb gelte es, die Person des Täters und seine Geschichte genau kennenzulernen, Ansatzpunkte zu finden, um das Strafmaß möglichst zu mildern.

Im Jahr 2011 machte Veikko Bartel Schluss mit dem Strafverteidiger-Dasein. Der Stress hatte die Gesundheit angegriffen, er selbst war dünnhäutiger geworden - jetzt zog er die Notbremse. Fortan setzte Bartel seine juristischen Kenntnisse in der Wirtschaft ein, was dem Familienleben des fünffachen Vaters auch gut bekam.

Mörder-Mandanten ließen ihn nicht los: Bartel schrieb Bücher

Auf Bühnen in ganz Deutschland - hier auf der Küchwaldbühne Chemnitz - liest Bartel aus seinen Büchern. Begleitet wird er dabei von passender "Knastmusik".
Auf Bühnen in ganz Deutschland - hier auf der Küchwaldbühne Chemnitz - liest Bartel aus seinen Büchern. Begleitet wird er dabei von passender "Knastmusik".  © Kristin Schmidt

Doch irgendwie ließen ihn die Mörder-Mandanten von einst nicht los. Bartel: "2015 war mir beim Aufräumen des Büros eine alte Akte in die Hände gefallen. Vieles darin hatte ich schon vergessen."

Bei gut 40 Mord- und Totschlag-Fällen nicht ungewöhnlich. Doch so reifte der Entschluss, seine spektakulärsten Fälle nochmal aufzuschreiben. "Immer mit dem Hintergrund des Interesses am Menschen."

Mit seinen Geschichten wolle er zeigen, was im Leben eines Menschen passieren musste, damit der an einem ganz bestimmten Tag zum Mörder wurde. "Es geht dabei nicht um Rechtfertigung", betont Bartel. "Es geht ums Verstehen."

Dieses Verständnis will Veikko Bartel mit seinen Büchern auch beim Leser wecken. "Mörderinnen" und "Mörder" heißen schlicht die Bücher, in denen Bartel die Geschichten von früheren Mandanten eindringlich erzählt.

Sein neues Buch, der Roman "Fünf - Der Ring der Schlangen" handelt dagegen vom Krieg, doch letztlich auch vom Verlust der Unschuld. Mit Geschichten aus seinen ersten beiden Büchern geht Veikko Bartel auch gemeinsam mit der Band "Brot und Wasser" auf Lese-Tour.

In seinen Büchern "Mörderinnen" und "Mörder" berichtet Veikko Bartel von Menschen, die das ultimativ Böse getan habe - und versucht zu erklären, warum.
In seinen Büchern "Mörderinnen" und "Mörder" berichtet Veikko Bartel von Menschen, die das ultimativ Böse getan habe - und versucht zu erklären, warum.  © PR /Christoph Bastert

Mehr Infos gibt's unter www.veikko-bartel.de.

Titelfoto: Maik Ehrlich

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