Tomaten kann jeder: Chemnitzer Stadtrat erntet jetzt die Sonne vom Balkon
Chemnitz - Chemnitzer Grünen-Stadtrat Toni Rotter (34) steht gern auf der Sonnenseite des Lebens: Nun bestellte sich der Kommunalpolitiker für den Balkon seiner neuen Brühl-Wohnung eine Mini-Photovoltaikanlage, überzeugte damit den Vermieter GGG und könnte Vorreiter für Tausende Mieter werden.
600 Watt peak erzeugen zwei Solarplatten. "Mit 4,5 Quadratmetern Fläche passen sie an die Südwand meines Balkons", sagt Toni Rotter. Der selbst erzeugte Strom reiche an sonnigen Tagen für Grundlast, Durchlauferhitzer - "und die Waschmaschine programmiere ich für den Mittag".
Gut 1000 Euro kostet die Anlage. Bei 34 Cent pro Kilowattstunde Strom sollte sich die PV-Anlage nach vier Jahren rechnen. Bei steigenden Preisen früher.
Vor dem Einbau am Balkon musste Toni Rotter ein anderes dickes Brett bohren, beim Vermieter GGG. "Die rückten mit einem Ingenieur an, um das Pilotprojekt zu prüfen", sagt der Stadtrat. "Dann waren sie zufrieden."
Toni Rotter hofft, dass der Stromfunke von seinem Balkon auf andere Mietwohnungen überspringt. Grünen-Bundestagsabgeordneter Bernhard Herrmann (55) unterstützt die Idee: "Es wäre toll, wenn die Gesellschaften mit Zuschüssen zu PV-Anlagen um Mieter werben oder auf sie zugehen."
Auch öffentliche Bauten werden Stromerzeuger. Auf Anfrage von SPD und Grünen erklärte die Verwaltung, dass bei zwölf städtischen Projekten seit 2019 erneuerbare Energie eingeplant sei. Weitere PV-Anlagen gibt es oder sind geplant bei "Golfbad", Verkehrslandeplatz, Eissportzentrum, CVAG und Klinikum.
Kommentar: In die Freiheit
Ein Kommentar von Bernd Rippert
Die Energiewende in Deutschland ist noch ein zartes Pflänzchen. So klein, dass wir sie sogar auf unserem Balkon großziehen können. Doch dieses Beispiel aus Chemnitz macht Hoffnung.
Um im biologischen Bild zu bleiben: Schon bald brauchen wir einen Energiewende-Wildwuchs. Ein rasantes Wachstum auf allen verfügbaren Flächen.
Viel zu lange haben die CDU/SPD-Bundesregierung und die meisten Landesregierungen die Energiewende hin zu Solar und Wind torpediert, gestört und abgewürgt. In Sachsen sieht es besonders trostlos aus. 2020 und 2021 wurden exakt drei neue Windräder im Freistaat gebaut, dieses Jahr noch keines.
Das muss anders werden. Wir brauchen Windräder in jeder Stadt und auf jedem Dorf. Wir brauchen die großen Leitungen, um erneuerbaren Strom vom Norden in den Süden zu leiten. Und wir brauchen Solarplatten auf jedem Dach, auf Balkonen, in den Gärten.
Der Krieg in der Ukraine führt uns unsere Abhängigkeit von ausländischer Energie klar vor Augen. Jetzt müssen wir in die Freiheit umsteuern.
Titelfoto: Fotomontage: Uwe Meinhold, privat