Tag der Architektur: Ist Chemnitz wirklich "Stadt der Moderne"?
Chemnitz - Von 2007 bis 2021 warb Chemnitz mit dem Slogan "Stadt der Moderne". Ob das wirklich so ist, darüber wurde und wird viel diskutiert. Fakt ist: Seit der Wiedervereinigung hat sich eine Menge getan! Die Innenstadt wurde neu gestaltet - und zahlreiche, teils prämierte Bauwerke sind errichtet worden. Also auch, wenn heute der Slogan "Chemnitz, Kulturhauptstadt Europas 2025" im Fokus steht, ist Chemnitz inzwischen moderner als je zuvor - vor allem architektonisch.
Freiräume wie der südliche Kaßberghang sowie recht viel Sonne - sie scheint hier im Durchschnitt 5,4 Stunden täglich - bieten Chemnitzer Bauherren und Architekten Möglichkeiten zum Ausprobieren und pfiffigen Sanieren. TAG24 stellt fünf beeindruckende Projekte vor.
Der Neubau des Software-Entwicklers Intenta (Ahornstraße 55) ist ein Hingucker. Das Chemnitzer Unternehmen lässt einerseits die leerstehende Fabrik der ehemaligen Werkzeug-Union auf dem Kaßberg sanieren.
Der neue Firmensitz wurde für drei Millionen Euro an den vorhandenen Komplex angeschlossen.
Fertigstellung: November 2017, ein Jahr später erhielt der Langbau von Falko Hensel ("Architekturkanal", Kanalstraße 28) den Architekturpreis der Stadt Chemnitz.
Chemnitzer Architekturpreis für Neugestaltung des Hauptbahnhofs Chemnitz
Den Chemnitzer Architekturpreis erhielten die "Grüntuch Ernst Architekten" (Berlin) für die Neugestaltung vom Hauptbahnhof Chemnitz.
"Intelligent und Ressourcen-schonend wurde hierbei die konstruktive Struktur des vorhandenen Gebäudes aus den 1970er Jahren genutzt, jedoch alle begrenzenden Elemente entfernt, womit eine große Offenheit erzeugt wurde", befand die Jury.
Seit 2009 wird der Hauptbahnhof in mehreren Abschnitten saniert, zuletzt die "Bazillenröhre" (Eröffnung: November 2021).
Nicht nur architektonisch, sondern auch technisch ein Hingucker
Für mehr Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Gas und Öl sorgt das Chemnitzer Solarbauunternehmen Fasa.
Hingucker ist ihr "Solardomizil I" (Salzstraße 36, Bauende: Sommer 2018).
Nicht nur architektonisch, sondern auch technisch: Eine rund 320 Quadratmeter große Kollektorfläche erhitzt Wasser für einen 200.000 Liter großen Tank, der die elf Wohnungen versorgt.
"Tanzende Siedlung" an der Kaßbergstraße
"Das Design bietet sehr viel Schatten, Schalldämmung und Belüftung sind hervorragend", sagt Ringo Lottig (56), Chef der Chemnitzer Siedlungsgemeinschaft (CSg) zur "tanzenden Siedlung" (Hohe Straße 31 bis Kaßbergstraße 20).
Die Architekten von "Furoris" (Annaberger Straße 73) entwarfen ein futuristisches Design für die vier Häuser (Mietschnitt pro Quadratmeter: 10,60 Euro kalt).
Sie wurden von Mai 2019 bis August 2021 errichtet. Sonntag, zum "Tag der Architektur", gibt es um 11 Uhr eine Führung (Start: Hohe Straße 31).
Umbau der Aktienspinnerei erhielt Deutschen Hochschulbaupreis 2022
Es muss nicht immer Neubau sein: Die TU Chemnitz setzt auf die vorhandene Bausubstanz.
Von Oktober 2014 bis Juni 2020 machte sie für etwa 53 Millionen Euro aus der Alten Aktienspinnerei die neue Universitätsbibliothek (Straße der Nationen 33).
Rund 21.500 Tonnen Abbruchmaterial mussten aus dem 1859 in Betrieb genommenen Gebäude entfernt werden, 12.354 Quadratmeter Nutzfläche auf je vier (Seitenflügel) und fünf (Mittelbau) Etagen entstanden.
Für die Mammutleistung gab es den "Deutschen Hochschulbaupreis 2022".
Diese Pläne liegen auf Eis
So flott, wie sich mitunter das Stadtbild durch neue Bauten wandelt, geht's nicht immer. Einige moderne Projekte liegen auf Eis, meist aus Kostengründen.
So sollte für die "CSg-Lounge 2.0", die im Stadtteil Altendorf (Am Karbel) unter anderem neue Veranstaltungs- und Praxisräume vorsieht, längst der erste Spaten gestochen sein. "Baubeginn wäre jetzt, Mitte 2022.
Doch die Kosten haben sich durch Lieferengpässe, Baumaterialpreis-Steigerungen mindestens verdoppelt", erklärt CSg-Vorstand Ringo Lottig (56). Darum wurde das Projekt erst mal gestoppt.
Der seit Jahren diskutierte Umzug des Busbahnhofs auf den Vorplatz des Hauptbahnhofs (rund 150 Meter Fußweg-Ersparnis) muss ebenfalls warten. Er soll erst nach 2025, dem Kulturhauptstadtjahr, erfolgen. Bleibt genug Zeit, um die nötigen Fördermittel bewilligt zu bekommen.
Titelfoto: Uwe Meinhold, Maik Börner (2), Kristin Schmidt