Spendenflut wird zum finanziellen Problem: Chemnitzer Kleiderkammer steht vor dem Aus
Chemnitz - Kinderreiche Familien, Rentner, Alleinerziehende - wer in die Kleiderkammer des DRK in der Altchemnitzer Straße in Chemnitz kommt, muss mit jedem Euro rechnen. Rund 60 bis 70 Chemnitzer kommen täglich, um sich mit Kleidung, Kleinmöbeln oder Spielzeug einzudecken. Doch das Angebot ist in Gefahr.

"Wir haben ein Kostenproblem", sagt Pierre Bartsch (54), Vorstandsvorsitzender des DRK Kreisverbandes Chemnitz. "Wenn sich daran nichts ändert, müssen wir nächstes Jahr die Öffnungszeiten reduzieren oder ganz schließen."
Grund für den Geldmangel ist paradoxerweise ein Überschuss: In den zwölf Kleidercontainern des DRK und in der Kleiderkammer werden jeden Monat rund neun Tonnen Textilien gesammelt.
"Nur 30 Prozent davon sind in einer Qualität, die wir weitergeben können. Den Rest haben wir bis voriges Jahr für 175 Euro pro Tonne an Verwerter verkauft. Doch seit Oktober nehmen diese nichts mehr ab", so Bartsch.
Die Folge: tonnenweise überschüssige Textilien sammelten sich an, die das DRK in Garagen notgedrungen zwischenlagerte und händeringend nach einer Lösung suchte. "Wir mussten zeitweise sogar Spenden ablehnen."

Ausgaben von fast 26.000 Euro

Seit rund einem Monat gibt es eine Vereinbarung mit dem städtischen Abfallentsorger.
"Der ASR nimmt uns die Textilien ab. Darüber sind wir sehr froh. Aber es kostet uns 240 Euro pro Tonne", sagt der DRK-Chef.
Unterm Strich ergeben sich damit jährlich statt 18.900 Euro Einnahmen plötzlich Ausgaben von fast 26.000 Euro.
Ändert sich daran nichts, steht die DRK-Kleiderkammer von Chemnitz vor dem Aus. Bartsch: "Dieses Jahr federn wir die Kosten ab, aber langfristig geht das nicht."
Das Problem mit den Billigtextilien

Der Markt für Alttextilien ist bundesweit in der Krise. Ein Grund ist die enorme Menge an asiatischen Billigtextilien, die kaum wiederverwendbar sind.
Einige Verwerter haben sich deshalb aus dem Geschäft zurückgezogen.
Eine Großsortieranlage für Altkleider in Wolfen (Sachsen-Anhalt) wurde Anfang des Jahres nach der Insolvenz des Recycling-Unternehmens Sosex stillgelegt.
Thomas Ahlmann (45), Geschäftsführer des Dachverbandes "FairWertung", sagt: "Für gemeinnützige Organisationen ist es eine große Belastung, wenn sie für die Entsorgung von Alttextilien zahlen müssen. Sinnvoll wäre eine bundesweite Regelung für eine kostenlose Weitergabe, wie es in einigen Landkreisen in Baden-Württemberg und Bayern möglich ist."

Überfluss macht ärmer
Kommentar von Mandy Schneider

Aussortierte, tragbare Kleidung wird nicht weggeworfen, sondern an Bedürftige abgegeben: Was über Jahrzehnte als bewährtes System galt, ist ins Wanken geraten.
Weil sich das Geschäft für professionelle Verwerter nicht mehr lohnt, droht auch gemeinnützigen Organisationen das Aus. Ihre Bemühungen ersticken förmlich im Textilmüll, der in immer größeren Fluten anfällt.
Sollte das altbekannte Sammelsystem für Textilien tatsächlich zusammenbrechen, stehen die öffentlichen Abfallunternehmen vor einer Herausforderung. Nach EU-Recht gilt seit dem 1. Januar die Getrenntsammlungspflicht für Altkleider (ausgenommen ist textiler Abfall, der weiterhin in die graue Tonne gehört).
Der ASR sammelt Altkleider an einigen Standorten von Glascontainern und in den Wertstoffhöfen. Mit den Mengen, die derzeit (noch) über private und gemeinnützige Verwerter eingesammelt werden, wären die Abgabemöglichkeiten jedoch heillos überlastet.
Eine gangbare Lösung für alle Beteiligten muss her - nicht zuletzt für die Bedürftigen, die die Schließung der Kleiderkammer noch ein Stück ärmer machen würde.
Titelfoto: Uwe Meinhold (2)