Sechs Monate Fernverkehr in Chemnitz: Wie viele nutzen den Intercity?
Chemnitz - Seit fast einem halben Jahr ist Chemnitz wieder an den Fernverkehr der Bahn angeschlossen. Die Freude war groß. Doch jetzt zeigt sich: Nur wenige Chemnitzer nutzen den Intercity!
Am 16. Juni 2022 rollte erstmals nach 16 Jahren wieder ein Fernverkehrs-Zug aus dem Chemnitzer Hauptbahnhof. Zahlreiche Politiker waren vor Ort, auch Oberbürgermeister Sven Schulze (50, SPD). Er freute sich, dass Chemnitz endlich wieder an das Fernnetz angeschlossen ist.
Der IC 17 fährt am Morgen zweimal täglich von Chemnitz über Dresden und Berlin nach Warnemünde, am Abend zweimal täglich wieder zurück. Chemnitzer können damit ohne Umstieg nach Berlin oder weiter an die Ostsee düsen.
Doch rammelvoll ist der Zug von Chemnitz aus nie - erst ab Dresden wird der IC voller. Laut der Deutschen Bahn (DB) sei das Angebot zwischen Chemnitz und Dresden zwar Reisenden bekannt und werde angenommen, aber: "Die vier Züge sind aktuell mit einer niedrigen zweistelligen Auslastung [zwischen Chemnitz und Dresden, Anm. d. Red.] unterwegs", berichtet eine DB-Sprecherin Ende November gegenüber TAG24. Bei knapp 300 Sitzplätzen eine traurige Tendenz!
Die Bahn würde sich daher freuen, wenn der Bekanntheitsgrad dieser neuen Verbindung noch weiter gesteigert werden würde, "da derzeit noch Kapazitäten zur Verfügung stehen."
Genaue Fahrgastzahlen könne die Bahn derzeit noch nicht geben, da die Strecke erst wenige Monate am Netz ist und eine Aussage zur Nachfrage noch zu früh sei.
Bahn-Experte kritisiert: "Das ist kein richtiges, tragfähiges Angebot"
Doch warum nutzen die Chemnitzer die neue IC-Verbindung so verhalten? Laut Sebastian Drechsler (30) von der Bahninitiative Chemnitz sei das Angebot für Pendler nach Berlin nicht attraktiv. Denn: Mit einem Umstieg über Leipzig kommt man schneller nach Berlin als mit dem Direktzug - verrückt! Zudem würden zu wenige Verbindungen angeboten.
Drechsler wünscht sich einen dichteren Takt: Das aktuelle IC-Angebot sei "kein richtiges, tragfähiges Angebot, das viele zum Umsteigen bewegt", so der Bahn-Experte gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa).
Weniger dramatisch sieht Detlef Müller (58, SPD) die Fahrgast-Tendenz. Der Bundestagsabgeordnete pendelt oft mit dem IC nach Berlin und sagt: "Die Auslastung der vier Züge ist sehr, sehr unterschiedlich."
Vor etwa drei Wochen fuhr der SPD-Politiker von Berlin nach Chemnitz, der Zug wäre bis Chemnitz auch noch zur Hälfte besetzt gewesen.
"In Chemnitz Hauptbahnhof haben etwa 120 Personen den angekommenen und endenden IC verlassen", schildert Müller gegenüber TAG24 die Lage.
Zudem hätten durch das 9-Euro-Ticket weniger Reisende den Fernverkehr genommen. "In diesen Sommermonaten nutzen selbstverständlich viele Fahrgäste die Nahverkehrsangebote der Bahn (RE), um ihre Ziele in Berlin oder an der Ostsee zu erreichen", erklärt Müller.
Er sagt auch: "Jede neue Linie muss sich erst etablieren, Aussagen zur Einschätzung von Fahrgastzahlen sind nach nur sechs Monaten wenig seriös."
Titelfoto: Uwe Meinhold, Maik Börner