Knallharte Analyse: Darum meiden viele Einwohner die Chemnitzer Innenstadt
Chemnitz - Schon lange versucht die Stadt Chemnitz, die City attraktiver zu machen. In Gesprächen mit Bürgern wird allerdings klar: Viele Chemnitzer meiden weiterhin die Innenstadt. TAG24 macht die Knallhart-Analyse: Darum bleiben viele Chemnitzer der City fern!
Sicherheit & Kriminalität
Schlägereien, Sex-Attacken, Raubüberfälle: Viele Chemnitzer fühlen sich in der Innenstadt nicht sicher. Das geht nicht nur aus Gesprächen mit Bürgern hervor, auch in Social-Media-Kanälen wird das geringe Sicherheitsgefühl immer wieder angesprochen.
Jüngstes Beispiel: eine Auseinandersetzung zweier Gruppen im Einkaufszentrum "Galerie Roter Turm". Im Januar randalierten dabei mehrere Jugendliche im Shopping-Center, zwei von ihnen prügelten sich. Auf Facebook und Co. wurde das Randale-Video verbreitet - die Chemnitzer zeigten sich schockiert.
Auch Center-Manager Jörg Knöfel (55) weiß, dass solche Szenen den Menschen Angst machen. Er sprach gegenüber TAG24 von einer "bedenklichen Entwicklung", nennt die Sicherheitslage im Zentrum "angespannt".
Besonders übel sind die Zustände auch "Am Wall". Dort sorgten in der Vergangenheit Beleidigungen, Belästigungen und Gewalt-Attacken für Aufsehen. Eine Eisladen-Besitzerin sagte vor einigen Monaten gegenüber TAG24: "Das ist der schlimmste Ort von ganz Chemnitz!".
Die CDU stellte im November 2022 einen Antrag im Stadtrat: Konkret ging es um die Prüfung von Maßnahmen, die die Innenstadt sicherer machen könnten - mehr Videoüberwachung, mehr Alkoholverbotszonen und ein Waffenverbot. Doch der Antrag wurde abgelehnt.
Immerhin: Ordnungsbürgermeister Knut Kunze (52, parteilos) hat das Problem erkannt und bei der Stadtratssitzung am Dienstag mehr Sicherheits-Maßnahmen für die Innenstadt versprochen. Künftig sollen mehr Polizeistreifen durch die City rollen - ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Ladensterben
Immer mehr Läden verschwinden aus Chemnitz. Besonders dramatisch ist die Situation auf dem Brühl-Boulevard. Ende 2022 wurde die Schließung von gleich drei Läden bekannt.
Anfang 2023 wurde verkündet, dass das "Perlenlabor" auf dem Brühl ebenfalls dichtmacht. Auch der Unverpackt-Laden schloss nun seine Türen.
Gleichzeitig steht das Mega-Warenhaus "Galeria Kaufhof" an der Zentralhaltestelle vor dem Aus.
Durch das Ladensterben zieht es weniger Menschen in die Innenstadt. Denn: Laut einer Umfrage der Stadt Chemnitz gehen 70 Prozent der Befragten zum Einkaufen in die City.
Weniger Läden bedeuten daher natürlich auch weniger City-Besucher.
Parkplatz-Ärger
Wer mit dem Auto in der Innenstadt parkt, muss teilweise tief in die Tasche greifen. Mit dem sogenannten "Parkraumkonzept" hat die Stadt das kostenlose Parken in der City abgeschafft.
Das hat einige Vorteile, beispielsweise dass die Lärm- und Abgasbelastung sinkt. Allerdings gibt es auch eine Schattenseite: Autofahrer besuchen eher Einkaufszentren am Rand der Stadt, bei denen die Parkplätze nichts kosten. Die Innenstadt ist für Autofahrer damit weniger attraktiv.
Zwar möchte die Stadt, dass so viele Bürger wie möglich mit Bus und Bahn in die City kommen, doch angesichts der ohnehin schon vollen Busse und des Personalmangels ist das einfach nicht umsetzbar - die Busse würden aus allen Nähten platzen!
Ein weiteres Problem: Durch Bauprojekte fielen die Innenstadt-Parkplätze am Tietz und an der Johanniskirche weg. Über den Wegfall ärgerten sich einige Chemnitzer.
Die (kläglichen) Versuche, die Stadt attraktiver zu machen
Die Stadt Chemnitz weiß, dass die Innenstadt attraktiver werden muss. Genau aus diesem Grund wurden im Sommer 2022 bunte Sitzmöbel vor dem Rathaus aufgestellt. Diese sollen unter anderem einen Anreiz schaffen, die Innenstadt zu besuchen.
Doch die Sitzmöbel sind unbequem, erinnern zudem an einen Kinderspielplatz. Wer kommt deswegen in die Innenstadt? Vermutlich niemand! Zudem schlägt der Preis für die "Kindergarten-Bänke" ordentlich zu Buche: 57.000 Euro.
Etwas sinnvoller ist dagegen der beleuchtete Fotopoint mit dem Schriftzug "I love C", der Anfang 2022 in die Innenstadt kam. Gerade am Abend sieht der Fotospot tatsächlich einladend aus. Doch im Netz spotteten die Chemnitzer über die Installation, vor allem weil diese fast 16.000 Euro kostete.
Aber es gibt auch Maßnahmen, die tatsächlich kurzzeitig für eine volle Innenstadt sorgen: das Hutfestival, der Parksommer, der Weihnachtsmarkt oder auch das KOSMOS-Festival. Doch sobald diese Veranstaltungen vorbei sind, wird es wieder ruhig in der Innenstadt. Die City braucht einen dauerhaften Besuchermagneten.
Oberbürgermeister Sven Schulze (51, SPD) sagte vor wenigen Tagen: "Eine Innenstadt ist ein Ort, an dem sich alle Chemnitzerinnen und Chemnitzer gern treffen und verweilen sollen. Deshalb bemühen wir uns als Stadt, die Aufenthaltsqualität und die Attraktivität gemeinsam mit vielen Partnern zu steigern."
Wenn die Sicherheit verbessert wird, das Ladensterben aufhört und etwas gegen den Parkplatz-Ärger getan wird, werden die Chemnitzer wohl wieder gern in die City gehen.
Titelfoto: Kristin Schmidt, Uwe Meinhold, Maik Börner