Hilfe, mein Haus säuft ab! Keller von Chemnitzer Senior steht seit vier Jahren unter Wasser

Chemnitz - Bernd Wohlgemuth (82) lebt in Chemnitz in einem Wasser-Albtraum: Seinen Keller kann der Hausbesitzer nur noch in Gummistiefeln betreten: "Seit vor vier Jahren die Abwasserkanäle in der Einsteinstraße erneuert wurden, steht hier das Wasser zwischen zehn und dreißig Zentimeter hoch", berichtet der Senior.

Der Name der Seitenstraße weist noch auf einen alten Mühlenstandort hin.
Der Name der Seitenstraße weist noch auf einen alten Mühlenstandort hin.  © Uwe Meinhold

Das Haus wurde vor über hundert Jahren auf einem ehemaligen Mühlgraben gebaut. "Als ich es nach der Wende gekauft habe, war der Keller trocken." Neuerdings gerät das Haus ins Rutschen, in der Außenmauer zeigen sich Risse.

"Die Ziegel wurden mit Lehm hochgemauert. Der weicht immer mehr auf. Wenn es regnet, läuft das Wasser in einem Strahl aus der Wand", so der verzweifelte Hausherr.

Anfangs versuchte er, gegen das Wasser anzukämpfen: "Aber wenn ich an einem Tag 3000 Liter abgepumpt hatte, war es am nächsten Tag wieder da."

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Bernd Wohlgemuth machte die Stadt auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen Baumaßnahmen und seinem gefluteten Keller aufmerksam. Die erklärt das Phänomen so: "Durch die Erneuerung von Kanälen kann es vorkommen, dass die Drainagewirkung für in der Umgebung anstehendes Wasser entfällt. Damit steigt der Grundwasserspiegel an."

Bernd Wohlgemuths (82) Keller ist dauerhaft überflutet. Das Wasser abzupumpen, hat er aufgegeben.
Bernd Wohlgemuths (82) Keller ist dauerhaft überflutet. Das Wasser abzupumpen, hat er aufgegeben.  © Uwe Meinhold

Senior bittet Wasserbau-Ingenieur und Grünen-Politiker Bernhard Herrmann (56) um Rat

Der Bundestagsabgeordnete Bernhard Herrmann (58, Grüne) versuchte, Bernd Wohlgemuth (82) zu helfen - bislang vergeblich.
Der Bundestagsabgeordnete Bernhard Herrmann (58, Grüne) versuchte, Bernd Wohlgemuth (82) zu helfen - bislang vergeblich.  © Uwe Meinhold

Der Senior ließ ein Gutachten erstellen, das die Grundwassertheorie für "relativ unwahrscheinlich" hält. Klagen will Wohlgemuth nicht. Stattdessen bat er Wasserbau-Ingenieur und Grünen-Politiker Bernhard Herrmann (56) um Rat.

Der vermutet: "Bei den Bauarbeiten könnten alte Lehmriegel neben den Rohren entfernt worden sein."

Einen Ausweg sieht Herrmann nur "in einer politischen Lösung", nach der der Entsorgungsbetrieb das unterirdische Wasserproblem nochmals anpackt.

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Die Stadt schließt das aus: "Grundsätzlich ist der Grundstückseigentürmer verantwortlich, Probleme mit Grundwasser selbst zu bewältigen."

Entlang der Außenmauer zieht sich ein Riss fast durch das gesamte Haus.
Entlang der Außenmauer zieht sich ein Riss fast durch das gesamte Haus.  © Uwe Meinhold

Unanständig korrekt: Kommentar von Mandy Schneider

Was Bernd Wohlgemuth erlebt, löst bei Hausbesitzern kaltes Grausen aus. Die stetige Flut aus dem Untergrund zerstört langsam sein Eigentum. Dass Kanal-Bauarbeiten diesen Wasserstrom ausgelöst haben, streitet die Stadt als Auftraggeber nicht mal ab.

Was daraus folgt - darüber könnten die Ansichten nicht unterschiedlicher sein. Für den Hauseigentümer ist klar: Wer den Schaden verursacht hat, muss sich kümmern. Die Stadt verweist dagegen auf korrekt ausgeführte Arbeiten und die Eigenverantwortung von Hausbesitzern für Grundwasserprobleme.

Der Teufel steckt im Detail: Niemand weiß, welche Vorkehrungen im Untergrund vor mehr als 100 Jahren getroffen wurden, um unerwünschten Zufluss aus dem zugeschütteten Mühlgraben zu verhindern. Ist das ein Problem des Hausbesitzers oder eines der Stadt? Rechtssicherheit könnten nur aufwendige Untersuchungen und ein langwieriger Prozess schaffen.

So viel zur Theorie. Wer den 82-Jährigen in Gummistiefeln im Wasser stehen sieht, kommt dagegen schnell zu der Erkenntnis, dass nachvollziehbare juristische Positionen ganz schön unanständig sein können.

Denn der Weg durch die Instanzen kann leicht fünf oder zehn Jahre dauern. Ob das Haus am Ende noch steht und dem Senior überhaupt genug Zeit bleibt, um den Kampf um sein Lebenswerk auszufechten, ist äußerst ungewiss. Wer sich mit diesem Wissen im Verwaltungssessel zurücklehnt, sollte dabei einen ganz bitteren Beigeschmack spüren.

Titelfoto: Uwe Meinhold

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