"Ernstes Hygiene-Problem": Wenn das Krankenhaus erst richtig krank macht

Chemnitz - Von wegen klinisch rein! Infektionen im Krankenhaus werden zu einem immer größeren Problem: Laut Barmer stieg die Zahl der Fälle 2020 bundesweit und auch in Sachsen um mehr als 17 Prozent. Die Chemnitzer Fachanwältin für Medizinrecht, Nadja Döscher-Schmalfuß (49), sagt: "Wir haben ein ernstes Hygiene-Problem in den Kliniken."

Medizin-Anwältin Nadja Döscher-Schmalfuß (49) berät eine Mandantin, deren Vater sich im Krankenhaus eine Sepsis zuzog.
Medizin-Anwältin Nadja Döscher-Schmalfuß (49) berät eine Mandantin, deren Vater sich im Krankenhaus eine Sepsis zuzog.  © Uwe Meinhold

Die Juristin, die selbst ausgebildete Krankenschwester ist, vertritt immer häufiger Patienten, die von Bakterien, Viren oder Pilzen geschädigt wurden. "Vor fünf bis zehn Jahren kamen die Mandanten vor allem wegen misslungener Operationen zu mir. Jetzt kommen sie wegen Sepsis nach einem Aufenthalt im Krankenhaus."

Dass dieses Problem in der Pandemie noch tückischer geworden ist, belegen auch zwei aktuelle Fälle aus der Anwaltskanzlei: Bei einem Chemnitzer (70) diagnostizierten Ärzte nach einer Tumoroperation in einem Krankenhaus in der Region Covid-19. Eine zusätzliche Infektion mit Krankenhauskeimen blieb dagegen lange unentdeckt und unbehandelt.

Die Sepsis wurde lebensbedrohlich und es dauerte Monate, bis die Infektion überwunden war. Die Tochter des Patienten lässt jetzt mögliche Behandlungsfehler prüfen: "Mein Vater wäre in der Statistik ein Corona-Toter gewesen, dabei sind Unzulänglichkeiten unseres Gesundheitssystems schuld an seinem Leidensweg."

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Tragisch ist auch das Schicksal eines Annabergers (58), der nach einer Herzoperation sieben Wochen in einer Thüringer Reha-Klinik behandelt worden war. In dieser Zeit wurde er nur zweimal auf Corona getestet. "Schon vor der Abreise ging es meinem Mann nicht gut. Wir waren gerade fünf Stunden zu Hause. Dann musste ich den Notarzt rufen. Bei der Aufnahme ins Krankenhaus wurde mein Mann positiv auf Corona getestet. Zwei Wochen später ist er an Covid verstorben", erzählt die Witwe.

Nadja Döscher-Schmalfuß hält Änderungen in Kliniken für dringend geboten: "Infektionen werden häufig mit postoperativen Wundschmerzen abgetan. Hier braucht es einen stärkeren Fokus auf das Problem Sepsis, bessere Prävention und mehr Hygienefachkräfte." Auch die Krankenkasse Barmer fordert eine Masterplan für mehr Hygiene in Krankenhäusern.

Desinfektion gehört in Kliniken zum Alltag. Trotzdem kommt es immer öfter zu gefährlichen Infektionen.
Desinfektion gehört in Kliniken zum Alltag. Trotzdem kommt es immer öfter zu gefährlichen Infektionen.  © dpa/Patrick Seeger
Covid-Patienten mit einem schweren Verlauf haben ein hohes Risiko für eine Sepsis.
Covid-Patienten mit einem schweren Verlauf haben ein hohes Risiko für eine Sepsis.  © DPA

Sepsis - die unterschätzte Gefahr

Sepsisfälle werden unter anderem durch Bakterien wie Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) ausgelöst.
Sepsisfälle werden unter anderem durch Bakterien wie Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) ausgelöst.  © pa/obs/3M Deutschland GmbH

Jedes Jahr werden in Deutschland mehr als 300.000 Fälle von Sepsis registriert, mehr als 60.000 im Zusammenhang mit einem Krankenhaus-Aufenthalt.

Die Komplikation, die auch als Blutvergiftung bekannt ist, ist mit rund 75.000 Todesfällen pro Jahr die dritthäufigste Todesursache.

Zum Vergleich der Dimension: Im Zusammenhang mit Corona waren 2021 bis gestern 74.142 Todesopfer zu beklagen. Wobei auch für schwer an Covid-19 erkrankte Patienten Sepsis eine große Gefahr ist, warnt die Deutsche Röntgengesellschaft.

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Um Klinikpersonal und Laien besser zu informieren, startete das Aktionsbündnis Patientensicherheit eine Aufklärungskampagne.

Mehr Infos gibt es unter: deutschland-erkennt-sepsis.de.

Titelfoto: DPA

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