Entsorgung in der Krise: Braucht Chemnitz eine eigene Müllverbrennung?
Chemnitz - Abfallentsorgung wird für die Chemnitzer deutlich teurer. Die angekündigte Gebührensteigerung um rund ein Drittel, die im Februar beschlossen werden soll, könnte dabei nur der Anfang einer Teuerungsspirale sein - und eine neue Diskussion um eine Müllverbrennungsanlage in der Stadt anheizen.
Für den Abfallwirtschaftsverband Chemnitz sind die Kosten längst explodiert: Seit anderthalb Jahren endet der am Weißen Weg vorbehandelte Müll nicht mehr als Ersatzbrennstoff im Braunkohlekraftwerk, sondern in einer Müllverbrennungsanlage.
Der höhere Heizwert des Ersatzbrennstoffs stört die Technologie dieser Kraftwerke, die auf die Verbrennung von unbehandeltem Müll ausgelegt sind.
So wird die nachhaltige Abfallvorbehandlung zur Kostenfalle: Hendrik Haertwig (55), Geschäftsführer des Abfallwirtschaftsverbandes Chemnitz, bestätigt: "Die Entsorgung von unbehandeltem Restabfall ist aktuell kostengünstiger als die Entsorgung von behandeltem Restabfall."
Hinzu kommt: Dem Abfallwirtschaftsverband Chemnitz droht langfristig die Auflösung. Sowohl der Landkreis Mittelsachsen als auch der Erzgebirgskreis wollen den Verband verlassen. Ohne die Mitstreiter wäre der Weiterbetrieb der Restabfall-Behandlungsanlage am Weißen Weg kaum zu realisieren.
Energieversorger Eins prüft die Errichtung eines Abfallheizkraftwerkes
Stadtrat Nico Köhler (45, AfD) fordert Konsequenzen: "Die Kosten für die Entsorgung und für den Transport steigen immer weiter. Eine anlagennahe Verbrennung wäre ein Schritt nach vorn, um die Gebührensteigerungen zu bremsen."
Beim Energieversorger Eins gibt es Pläne, das Heizkraftwerk nach dem Ausstieg aus der Braunkohle nach 2023 umzunutzen: "Eins prüft aktuell die Möglichkeit der Errichtung eines Abfallheizkraftwerkes am Standort des HKW Nord", heißt es vom Unternehmen.
Für Thomas Scherzberg (59, Linke) wäre eine pure Müllverbrennung ohne Vorbehandlung indiskutabel: "Eine einstufige Verbrennung ist nicht mehr zeitgemäß. Wenn die Landkreise aus dem Abfallwirtschaftsverband aussteigen, sollte sich Chemnitz nach neuen Partnern umschauen, um die Vorbehandlung des Mülls wirtschaftlicher zu gestalten."
Scherzberg weiter: "Eine effektive Lösung wäre ein Ersatzbrennstoff-Kraftwerk direkt am Weißen Weg gewesen, was schon einmal in der Diskussion war."
Der Weg unseres Mülls
Ab in die schwarze Tonne, Deckel zu - und dann? In den Müllfahrzeugen des ASR gelangt der Abfall zur Behandlungsanlage am Weißen Weg. Hier landen jährlich rund 80.000 Tonnen Müll - neben dem aus Chemnitz auch aus Mittelsachsen und einem Teil des Erzgebirgskreises.
In der Anlage wird der Abfall geschreddert und getrocknet. Metalle, Nichtmetalle, Steine und Glas sowie Stoffe wie Gummi und Hartplaste werden abgetrennt.
Übrig bleiben rund 65.000 Tonnen, die seit 2005 als Ersatzbrennstoff im mittlerweile abgeschalteten Braunkohlekraftwerk Jänschwalde verheizt wurden, für anfangs weniger als 10 Euro pro Tonne.
Seit Mitte 2020 geht der behandelte Müll aus Chemnitz in Sachsen-Anhalt in der Müllverbrennungs-Anlage Zorbau durch die Esse.
Das ist deutlich teurer: Aktuell kalkuliert der Abfallwirtschaftsverband Chemnitz für die Verbrennung rund 82 Euro pro Tonne. Dazu kommt der Transport für rund 19 Euro pro Tonne.
Titelfoto: Maik Börner