Christian Bürger stirbt mit 69 Jahren: Er war Sprecher der Prager Botschaftsflüchtlinge
Chemnitz - Zeitzeuge Christian Bürger (†69) verstarb nach langer schwerer Krankheit. Bekannt wurde er durch seine Flucht in die westdeutsche Botschaft in Prag im Sommer 1989 - und als Sprecher der dort versammelten DDR-Flüchtlinge. Nach der Wende setzte sich Bürger unermüdlich für die Aufarbeitung der SED-Diktatur ein, besonders in seiner Heimatstadt Chemnitz.

"Wir haben am Ostermontag von seinem Tod erfahren. Unsere Gedanken waren sofort bei seiner Familie. Wir sind sehr traurig", so Steffi Lehmann (37), wissenschaftliche Leiterin des Lern- und Gedenkortes Kaßberg-Gefängnis, wo Bürger über viele Jahre aktiv war.
Mit ihm verliere der Verein einen engagierten Netzwerker, der die Entwicklung des einstigen Haftorts zum Ort des Gedenkens entscheidend mitgestaltet habe.
Geboren wurde Bürger am 1956 in Karl-Marx-Stadt. 1984 stellte er einen Ausreiseantrag, der abgelehnt wurde. In der Folge geriet er ins Visier von Staatssicherheit und Innenministerium.
1986 wurde er für sechs Monate in Isolationshaft im Kaßberg-Gefängnis festgehalten. Anschließend saß er im Zuchthaus Cottbus - bis zu seiner Freilassung 1987.
Zwei Jahre später, im Juni 1989, fasste Bürger den Entschluss zur Flucht: Über das Erzgebirge gelangte er auf das Gelände der westdeutschen Botschaft in Prag. "Ich bin der Herr Bürger und ich gehe jetzt nicht wieder raus", soll er bei seiner Ankunft gesagt haben.


Nach dem Mauerfall zog es Christian Bürger in den Westen, 2006 kam er nach Chemnitz zurück

In den Wochen auf dem Botschaftsgelände wurde er zur Stimme der Hoffnung: Er übernahm die Rolle des Sprechers der Geflüchteten, koordinierte unter anderem die Essensverteilung.
Am 30. September 1989, als Außenminister Hans-Dietrich Genscher vom Botschaftsbalkon die Ausreise der DDR-Bürger verkündete, stand Bürger an seiner Seite.
Auch Jahrzehnte später war er bei Interviews, etwa im Dokumentarfilm "Zug in die Freiheit" (2014), tief bewegt von diesen Ereignissen.
Nach der Wiedervereinigung lebte Bürger zunächst in Westdeutschland, kehrte 2006 nach Chemnitz zurück und engagierte sich in zahlreichen Initiativen - darunter das Menschenrechtszentrum Cottbus und der Gedenkort Kaßberg, bei dessen Eröffnung er im April 2017 dabei war.
Titelfoto: Bildmontage: picture alliance/dpa, Andreas Seidel