Chemnitzer Karl-Marx-Kopf ist nicht ganz dicht: Wie verrostet ist das Stahlgestell?
Chemnitz - Massiv und unumstößlich wirkt der Karl-Marx-Kopf auf seinem Sockel. Doch der Schein trügt. Das Monument ist hohl und nach 53 Jahren dringend sanierungsbedürftig.
"Wie dringend die Restaurierung ist, war schon 2021 anlässlich des 50-jährigen Jubiläums ein Thema", weiß Gästeführerin Veronika Leonhardt (65), die als Jenny Marx regelmäßig Touristen zum Marx-Kopf führt, um ihnen seine Geschichte und die der Stadt näherzubringen.
"Das Landesamt für Denkmalpflege hat die Stadt Chemnitz seit Längerem auf die Notwendigkeit einer restauratorischen Untersuchung mit Schadensermittlung und gegebenenfalls einer Restaurierung des Monuments im Vorfeld des Kulturhauptstadtjahres hingewiesen", bestätigt Sabine Webersinke vom Landesamt für Denkmalpflege.
Chemnitz setzte andere Prioritäten: Es "wurde entschieden, dass die umfängliche Restaurierung nach dem Kulturhauptstadtjahr in Angriff genommen wird", teilt die Stadt auf Tag24-Anfrage mit.
"Hintergrund war auch die Tatsache, dass das Areal eine der Hauptveranstaltungsflächen der Kulturhauptstadt sein wird. Es wäre nicht vertretbar gewesen, dass diese durch Arbeiten beeinträchtigt wird."
Nischel wurde 1971 aus 95 Einzelteilen zusammengefügt
Das 40 Tonnen schwere Bronzemonument wurde 1971 aus 95 Einzelteilen zusammengefügt, mit Bolzen verbunden und verschweißt.
"Die jetzt erkennbaren Schäden sind durch Alterung und Umwelteinflüsse entstanden, besonders an den Fugen zwischen den einzelnen Bronzeteilen, an unbewitterten Bereichen und dort, wo Laufwasser vorhanden ist", heißt es von der Landesdenkmalbehörde.
Ein ungelöstes Rätsel ist der Zustand im Inneren des Kopfes, in den seit 53 Jahren niemand mehr hineinschauen konnte. Dort befindet sich ein Stahlgestell, das für mehr Stabilität eingebaut wurde und dessen Überprüfung schon in den 1980er-Jahren angemahnt worden war, um die Auswirkungen von Kondenswasser auf die Konstruktion zu erkunden.
Erkenntnisse dazu gibt es bisher nicht, "da eine Revisionsöffnung nicht gefunden wurde."
Gästeführerin Leonhardt sorgt sich um das Wahrzeichen: "Nicht auszudenken, wenn das Monument in sich zusammenfiele. Die Außenwirkung wäre ähnlich fatal wie bei der Dresdner Elbbrücke."
Beliebteste Sehenswürdigkeit
Das Karl-Marx-Monument in der Brückenstraße ist das beliebteste Fotomotiv der Stadt. "Touristen kommen nach Chemnitz und wollen den Nischel sehen", sagt Gästeführerin Veronika Leonhardt. "Er ist das wichtigste Denkmal, der Touristenmagnet Nummer eins." Und das mit Abstand beliebteste Souvenir:
Allein in der Tourist-Information der Stadt wurden in diesem Jahr bereits rund 1500 Marx-Artikel verkauft - in Form von Miniaturen, Bekleidung, Süßigkeiten, USB-Sticks, Tassen, Beuteln und anderem.
Titelfoto: Sven Gleisberg